Frau – Mann – Mensch

Veröffentlicht: 2010/12/07 in Nicht kategorisiert

Frau – Mann – Mensch.

Grundlagen jüdischer Religiosität und Spiritualität

Rachel Herweg

Die traditionellen Ehrentitel der Eltern sind: Awi mori, Immi morati – mein Vater, mein Lehrer; meine Mutter, meine Lehrerin. Beide gelten im Kontext jüdischen Glaubens als Beauftragte Gottes und befolgen die Bitte des Morgengebets:

„Mache lieblich, Ewiger unser Gott, die Worte deiner Tora in unserem Munde und im Munde deines Volkes, des Hauses Israel, auf dass wir und unsere Sprösslinge und die Sprösslinge deines Volkes, des Hauses Israel, wir alle deinen Namen erkennen und deine Tora lernen um ihrer selbst willen. Gesegnet seist du, Ewiger, der du die Tora lehrst dein Volk Israel.“

Jüdische Tradition ist gelebte Gotteserfahrung. Die Liebe zu Gott erweist sich für Jüdinnen und Juden in der Liebe zur Tora (Fünf Bücher Mose), die traditionell als authentische Offenbarung Gottes gilt. Neben dieser schriftlich fixierten, in sich abgeschlossenen Tora (Lehre/ Weisung) existiert von Sinai an die sog. mündliche Tora – die fortlaufende Offenbarung.

Jüdisches Leben, alles jüdische Handeln soll auf der Tora und ihrer Auslegung beruhen, wie es heißt (Dtn 17,11): „Nach dem Geheiß der Weisung, die sie [die Rabbinen] dir weisen, und nach der Rechtsfindung, die sie dir zusprechen, sollst du tun.“ – In dieser Aufforderung liegt die Legitimation der mündlichen Tora, der Ausdeutung der göttlichen Offenbarung durch die Menschen, begründet. Gott soll in jeder Generation (neu) aus seiner ganzen Tora (der schriftlichen und mündlichen) interpretiert werden (vgl. Babylonischer Talmud [bT] Mak 24a).

Kein Mensch allein kann vollständige Gotteserkenntnis erlangen. Um Gott näher zu kommen, bedarf es des Zusammenwirkens vieler Menschen – ihres Erkenntnisaustauschs und der darauf basierenden Formulierung von Recht – Halacha (wörtl. „der zu gehenden Wegrichtung“); also auch des Zusammenwirkens von Frauen und Männern.

Rabbinisches Judentum hat über Jahrhunderte dieses Zusammenwirken in der Praxis – ich möchte sagen – „sehr speziell“ ausgeprägt. Dazu weiter unten; zunächst noch zu seinen zentralen Grundaussagen, die das Bild des und vom Menschen und der gleichen Würde von Frau und Mann, seiner und ihrer Stellung und Bestimmung und den gemeinsamen Ausgangspunkt ihrer Religiosität und Spiritualität mindestens theoretisch begründen:

  1. Grundlegend ist die Heiligkeit menschlichen Lebens:Gen 1,27: „Und Gott schuf den Menschen in seinem Bilde…“
    Gen 2,7: „… und er hauchte den Odem des Lebens in seine Nase – und so ward der Mensch zu einem lebenden Wesen. 

    Durch diesen Akt sei die Seele des Menschen als göttliches Prinzip zu betrachten. In jedem menschlichen Leben wirkt etwas Göttliches, und so besteht die Aufgabe des Menschen darin, nach Heiligkeit zu streben:

    Lev 19,2: „Heilig sollt ihr sein, denn heilig bin ich, der Ewige, Gott.“

    Aus der Heiligkeit des menschlichen Lebens wird geschlossen:

  2. Menschliches Leben hat unendlichen Wert:Jeder einzelne Mensch gilt als Ebenbild Gottes, als einzigartig und unverwechselbar. Individuelles Dasein und Leben werden in der Mischna (M Sanh 4,5) als so kostbar erachtet, „dass wenn einer eine Person vernichtet, es ihm die Schrift anrechnet, als hätte er eine ganze Welt vernichtet, und wenn einer eine Person erhält, es ihm die Schrift anrechnet, als hätte er eine ganze Welt erhalten“.Aus dem unendlichen Wert menschlichen Lebens resultiert die Verpflichtung:
  3. Menschliches Leben muss gerettet werden:Lev 18,5: „… und durch sie [die Mizwot – Gesetze] sollst du leben!“Die Ge- und Verbote der Tora dienen dem Erhalt menschlichen Lebens. Um dieses zu retten, erlaubt die Halacha, praktisch alle Mizwot der Tora außer Kraft zu setzen (Ausnahmen: Götzendienst, Unzucht, Mord. Bei Mord besteht die Ausnahme: Notwehr [gegenüber einem potentiellen Mörder (hebr. rodef)]).

Die Heiligkeit des Menschen (seine Ebenbildlichkeit) begründet seine Würde und Bestimmung als Partner und Partnerin Gottes:

Gen 1,28: „… und bezwinget die Erde.“

Dieses Gebot beinhaltet insbesondere die Verpflichtung (!) zum Erwerb und zur Erweiterung von Wissen (= Studium; Forschung und Lehre).

Nach Vorstellung des rabbinischen Judentums führt der Weg zu Gott nur über seine Offenbarung, die Tora. In ihr ist alles Wissen der Welt (bereits) enthalten (vgl. M Awot 5,26) – und sie befindet sich „nicht im Himmel“, sondern wurde den Menschen als einzige Quelle ihrer Auslegung und ihres Weltverstehens (= fortlaufende Offenbarung, s.o.) gegeben (vgl. bT BM 59b; Tem 16a).

Als religiöses Ziel des Judentums und Sinn aller Geschichte wird die Errichtung des Reiches Gottes auf Erden begriffen – die Erlangung des Weltfriedens, der auf der wahren Gotteserkenntnis aller Menschen beruht. Die Halacha markiert hierbei nicht das Ziel, sondern einen Weg. Sie verlangt Handeln, die „Selbstheiligung“ durch Gebotserfüllung, und nicht Glauben.

Zur historisch begründeten Rolle und Stellung der jüdischen Frau

Nun komme ich auf das „sehr speziell ausgeprägte“ rabbinische Verständnis des Zusammenwirkens von Frauen und Männern zurück:

Auf den Nenner gebracht ist die Bedeutung der Frau für den Mann im traditionellen oder orthodoxen Judentum: „wie Gott“ auf Erden zu sein und das geistige Potential des Menschen im Leben zu erkennen. Letztendlich geht es für Frauen darum, den Männern durch stilles Dienen, Zuarbeiten, Fördern – durch praktisches Ausführen und Bewähren der von ihnen festgelegten Halachot den Weg zur Erlösung zu bereiten. Freilich partizipieren sie dereinst am Erlösungsgeschehen: Durch die Taten ihrer Männer sind sie mit eingebunden. Symptomatisch erscheinen die endlos reproduzierten frauenpreisenden Äußerungen von jüdischen Männern, Gelehrten – Rabbinern. Sie loben Klugheit, Stärke und Verstand der Frau. Ihre Einsicht sei größer als die des Mannes (bT Nid 45b), sie erleuchte seine Augen und stelle ihn auf seine Füße (bT Jeb 63a), ihr göttliches Feuer „ist stärker als das des Mannes“ (bT Sota 17a) und so weiter und so fort. Das durch die Zeiten bestimmende Ideal der jüdischen Frau spiegelt sich im Frauenlob (Eschet chajil – „Frau von Stärke, Reichtum, Standfestigkeit“) am Schluss des Buches der Sprüche, das bis heute in vielen Familien den Frauen am Schabbatabend zugesungen wird. Nach seiner Heldin wurde die jüdische Ehefrau als „Krone ihres Mannes“ (Spr 12,4) betitelt und in mystischen Kreisen mit der Schechina, der göttlichen Einwohnung (dem weiblichen Aspekt Gottes) verglichen (16. Jh., Safed).

Das Bemerkenswerte an diesen und vielen anderen positiven Äußerungen der Rabbinen ist die Tatsache, dass es sich hier nicht in erster Linie um den „Menschen Frau“ handelt, sondern um den „Menschen Mann“ (vgl. bT Jeb 63a): Wenn der Mann keine Frau hat, ist er kein Mensch; wenn der Mann keine Frau hat, hat er keine Erde – sozusagen keinen Boden unter den Füßen (vgl. Klischee: die Frau als realistische Lebensmeisterin, der Mann als vergeistigter „Träumer“). Das Schicksal des Mannes hängt also von der Frau ab – das Gute und das Böse kommen von der Frau.

Bis heute prägt ein männergemachtes Frauenideal die Realität der Geschlechter. Alle frauenpreisenden Äußerungen lassen sich auf Genesis 21,12 „In allem, was Sara zu dir sagt, höre auf ihre Stimme!“ zurückführen. Dieser biblische Rat erging an den Patriarchen Abraham, der ungefähr vor 4000 Jahren gelebt haben mag. Angesprochen wurde der Mann als handelndes Subjekt und Entscheidungsträger, was der damaligen Gesellschaftsform entsprach. Solange Frauen nicht sagten und sagen: „Lass mich selbst lesen… lass mich alles tun, was auch du/ Mann tust“ und nicht gegen seine Entscheidungen aufbegehren, ist dieser Ratschlag „gut“, nämlich systemstabilisierend, indem er die wahren Machtverhältnisse verschleiert: Im praktischen Leben waren und sind Frauen den Männern an wirtschaftlicher Macht und sozialem Prestige, in juristischen Belangen und religiöser Partizipation nachrangig.

Rabbinisches (orthodoxes) Judentum hat zwar die „Gleichwertigkeit in Andersartigkeit“ von Frauen und Männern vertreten, aber nie deren Gleichberechtigung. Seit seiner Geburtsstunde im Jahre 70 hat es zwei nach Geschlecht getrennte arbeits- und aufgabenteilige Lebenswelten entwickelt: das Lehrhaus als Wirkungsort der Männer und das jüdische Haus mit der Familie in ihm als Domäne der Frauen. Beide sollten einander ergänzen und durch ihr Zusammenwirken das Traditionsgut in die Zukunft hinein sichern: das Lehrhaus von außen durch die Bewahrung und Fortschreibung des theoretischen Wissens, das jüdische Haus von innen durch die Bewährung dieses Wissens im alltäglichen praktischen Tun.

Gemeinhin wird die zunehmende Polarisation von Männer- und Frauenwelt als jüdische Überlebensstrategie in der Diaspora gedeutet. Tatsächlich sicherte sie die Vormachtstellung der Männer, indem deren selbsterklärter Arbeitsbereich – das Studium von Tora, Talmud und rabbinischen Schriften sowie das schriftliche Tradieren von Halacha (jüdisches Recht) – Vorrang vor allen anderen Arbeiten hat. Die Rolle jüdischer Frauen in orthodoxen Gemeinden ist es bis heute, Männer in ihrem Studium und ihrer Geistigkeit zu fördern. Jahrhunderte hindurch haben somit weibliche Strategien – Selbstlosigkeit, Kooperation, Gegenseitigkeit – der männlichen Dominanz innerhalb der jüdischen Gemeinschaft zugearbeitet. Die amerikanische Feministin Aviva Cantor hat diese Zuarbeit jüdischer Frauen als spezifisch jüdische Variante des Patriarchats („Reformpatriarchat“) bezeichnet.

Indem jüdische Männer jahrhundertelang den Frauen Lob gesungen, ihnen dadurch Ehre gegeben und immer wieder beteuert haben, dass die Geschicke Israels von ihnen abhingen und sie die wahren Drahtzieherinnen seien, haben sie sie bei der Stange gehalten und damit implizit für ihre Belange funktionalisiert.

Männliche Gelehrte „befreiten“ Frauen von der religiösen Pflicht, zeitgebundene positive Gebote zu befolgen. Später diente ihnen diese Befreiung als Legitimation, Frauen von der aktiven Teilnahme am Gottesdienst auszuschließen und sie der Verpflichtung zum Torastudium zu entheben. Indem Frauen der unmittelbare Umgang mit der Tora in Lehrhaus und Synagoge versagt wurde, wurde zugleich ihre direkte Verbindung zum Göttlichen – das sich dem jüdischen Menschen durch die Tora vermittelt – im institutionell-religiösen Bereich unterbrochen. Zwischen Gott und Frau trat der Mann; an die Stelle der unmittelbaren weiblichen Gotteserfahrung trat die Vermittlung der männlichen Erfahrung Gottes, die fortan die jüdische Tradition – und mit ihr die Autobiographie jüdischen Lebens, das Gebetbuch, bestimmte.

Reformbewegung und jüdischer Feminismus

Erst im Zuge der Haskala (jüdische Aufklärung) veränderte sich das traditionelle Spiel der Geschlechter: Ende des 18. Jahrhunderts entstand in Deutschland die jüdische Reformbewegung. Aus ihr heraus wurden Vorschläge zur Emanzipation der jüdischen Frau formuliert und in der Breslauer Rabbinerkonferenz von 1846 beschlossen. Sie beinhalteten u.a., dass Frauen alle religiösen Gebote zu beachten haben, auch Mädchen zum Lernen von Tora und Talmud verpflichtet sind und dass eine Frau nicht vom Vater oder Ehemann von ihren Gelübden losgesprochen werden darf. Frauen traten zunehmend als aktiv und selbstverantwortlich Handelnde auf den Plan. Der Umbruch, nämlich die weibliche Rückkehr zum unmittelbaren Umgang mit der Tora, war offensichtlich, als Regina Jonas 1935 als weltweit erste Frau in Deutschland die Ordination zur Rabbinerin erhielt. Sie wurde in Auschwitz ermordet – und danach für ein halbes Jahrhundert vergessen. Ihre Wiederentdeckung fiel in die Vorwehen des Amtsantritts der ersten Rabbinerin in Deutschland nach der Schoa, Bea Wyler (1995). Bis dahin war es ein weiter Weg – wenigstens in Deutschland.

Während das Reformjudentum in Deutschland durch den Nationalsozialismus vollständig ausgelöscht wurde, gelangte es in den USA seit Ende des 19. Jahrhunderts zu immer größerer Blüte. Jüdische Frauen in den USA haben sich aktiv mit ihrem Erbe auseinandergesetzt, etablierten eine jüdisch-feministische Geschichtsschreibung und entwickelten neue Liturgien. In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts begannen sie massiv und öffentlich für ihre gleichen Rechte innerhalb der Jüdischen Gemeinschaft zu kämpfen. Sie forderten die Veränderung oder Neuschreibung von Halacha, indem sie halachische Entscheidungen historisch rekonstruierten, als falsch oder einseitig entlarvten und neue Interpretationen hinzufügten. Damit vollzogen sie nachhaltig den Eintritt in die schriftliche Tradierung jüdischen Wissens und damit in den direkten halachischen Entscheidungsprozess.

Auf diese erste bedeutende Phase des jüdischen Feminismus folgte seit Mitte der 1970er Jahre eine stark in die Praxis wirkende Auseinandersetzung mit dem traditionellen Verständnis der Geschlechterrollen. Jüdische Frauen untersuchten die Funktion männlicher Ausdrucksformen und Sprache, erforschten weibliche (Gottes)Bilder in verschiedenen Richtungen des Judentums und rangen mit der Schaffung neuer Gebete und Rituale. Sie setzten sich auseinander mit dem Mythos der jüdischen Familie und der Mutter in ihr und kreierten neue Vorbilder, wie das der Gelehrten und Rabbinerin.

Der grösste Teil der jüdisch-feministischen Diskussion über die Rede von Gott und die Gottesbilder sowie das Experimentieren damit, kreiste um die Frage des Geschlechts/Gender Gottes. Jüdische Feministinnen kritisierten das Vorherrschen männlicher Pronomen und Bilder in der Hebräischen Bibel, rabbinischen Texten und im traditionellen Gebetbuch und suchten nach Alternativen.

Erstmals formulierte Rita Gross in ihrem Artikel „Female God Language in a Jewish Context“ (1979) eine breitere theoretische Kritik an der männlichen Sprache und entlarvte das Fehlen weiblicher Bilder und Symbole für Gott als den grundlegendsten Ausdruck für die Abwertung der jüdischen Frauen. Gottesbilder seien „nur“ Bilder und keine Wesensbeschreibungen, argumentierte sie, und wenn Jüdinnen und Juden nicht wirklich davon ausgingen, dass Gott männlich sei, wenn sie männliche Pronomen und Bilder verwendeten, dann sollten sie auch keinerlei Einwände gegen die Verwendung weiblicher Bilder haben (170f). Alles, was Jüdinnen und Juden je über das vertraute „Der Heilige, gelobt sei ER“ gesagt haben, könne und müsse demnach auch über „Gott-SIE“ gesagt werden (173).

Die Analyse von Rita Gross legte den Grundstein für spätere jüdisch-feministische Arbeiten zu diesem Thema. Während der 1980er und bis in die 1990er Jahre hinein entwickelten und diskutierten jüdische Feministinnen wie Judith Plaskow, Marcia Falk, Lynn Gottlieb, Ellen Umansky und Rachel Adler Fragen, die Rita Gross aufgeworfen hatte. Sie untersuchten die Rolle der männlichen Sprache in einem grösseren patriarchalen System, arbeiteten an der Frage, wie männliche Bilder Frauen herabsetzen, sie erforschten die weiblichen Bilder in verschiedenen Richtungen des Judentums und machten zahlreiche Vorschläge für einen neuen Sprachgebrauch.

Dabei griffen sie auf körperlich-seelische und soziale Erfahrungen von Frauen zurück. In Neufassungen traditioneller Gebete wurde Gott zur Mutter, Herrscherin, Schöpferin und Ernährerin, die Leben zur Welt bringt und mit ihrem Schoß die Erde beschützt. – So in dem Gebetbuch „Siddur Nashim: A Sabbath Prayer Book for Women“ (Ein Sabbat-Gebetbuch für Frauen; Privatdruck), dass Maggie Wenig und Naomi Janowitz ungefähr zur selben Zeit als der Artikel von Rita Gross erschien, geschaffen haben.

Da sämtliche jüdischen Rituale Segnungen enthalten, die traditionell mit einer männlichen Formel eingeleitet werden – Gepriesen seist Du [männlich], Herr, unser Gott, König der Welt– stehen Frauen vor der Entscheidung, wie und in welchem Umfang sie diese traditionelle Sprache verändern wollen. Einige neuere Liturgien ersetzen im Hebräischen einfach den männlichen „Gott-ER“ durch das weibliche „Gott-SIE“. Andere verwenden weibliche Gottesvorstellungen und -namen aus der jüdisch-mystischen Tradition, wie Schechina – die göttliche Einwohnung in der Welt, die die reale Schöpfung aus sich hervorbringt und Bina – die Einsicht und geistige Urquelle des Lebens oder wählen und kreieren neue weibliche hebräische Ausdrücke, wie Rachmana – Mutter des Schoßes oder ruach ha-olam – Geistkraft der Welt.

Dem neuen feministischen Gebetbuch von Marcia Falk („The Book of Blessings: New Jewish Prayers for Daily Life, the Sabbath, and the New Moon Festival“, 1996), das Gebete in englischer und hebräischer Sprache enthält, liegt die Vorstellung von einer Göttlichkeit zugrunde, die in jedem kleinsten Winkel der Erfahrung gegenwärtig ist. Falk vermeidet (anders als viele andere Feministinnen) eine geschlechtliche Bildsprache, indem sie das Göttliche „überall dort findet, wo unser Herz und unser Geist, unser Blut und unsere Seele berührt werden“. Manchmal benennt Falk das Göttliche direkt – z.B. als Springbrunnen, Strom oder Quelle des Lebens, manchmal erinnert sie schlicht an die Gegenwart des Heiligen in der Schöpfung. So lautet die Übersetzung ihres Schema (Höre Israel), der zentralen Glaubensaussage des Judentums: „Höre Israel – das Göttliche ist überall in Fülle und wohnt in allen Dingen; das Viele ist Eins!“ (1996, S. 24).

In Deutschland war es vor allem Pnina Nave Levinson, die jüdische Frauen ermutigt hat, nach ihren eigenen Traditionen zu suchen, herrschende Rituale und Liturgien zu hinterfragen, Altes wieder – und Neues zu entdecken.

In Frankfurt am Main gründete sich im Frühjahr 1994 die egalitäre Gemeinschaft Kehilah Chadaschah. Sie markiert den Beginn einer jüdischen feministisch-liturgischen Bewegung in der Bundesrepublik Deutschland. Seit 1995 ist in Oldenburg und Braunschweig eine Rabbinerin tätig; bis heute sind in Deutschland zwei weitere dazu gekommen. Seit Ende der 90er Jahre amtieren in der Jüdischen Gemeinde Berlin zwei Kantorinnen, unlängst ist eine dritte hinzu gekommen. 1998 wurde in Berlin die Initiative „Bet Debora“ ([Lehr]Haus Deboras) ins Leben gerufen. Bet Debora setzt sich v.a. ein für die Förderung eines jüdisch-feministischen Bewusstseins und jüdischer Frauenbildung und -forschung auf europäischer Ebene, für die Integration von Erfahrungen jüdischer Frauen aus West- und Osteuropa in die jüdische Tradition sowie des jüdisch-feministischen Diskurses in die Gesamtgesellschaft. 1999, 2001 und 2003 hat Bet Debora europäische Rabbinerinnen, Kantorinnen, jüdische Aktivistinnen und Gelehrte nach Berlin eingeladen, um über aktuelle Themen zu beraten.

In der Gegenwart benennen feministische Jüdinnen Regeln der gleichberechtigten Partizipation in allen Lebens- und Wirkungsbereichen von Frauen und Männern. Sie stellen die Frage nach Autorität und Demokratie und schaffen alternative Institutionen. Sie haben damit die vorausgegangene Rechtfertigungsposition der gleichen Teilhabe jüdischer Frauen an männlichen Privilegien überwunden.

Die Tragik dieser kurz skizzierten Entwicklung besteht nun darin, dass alle jüdischen Frauen außerhalb traditionell praktizierender Gemeinden Gefahr laufen, als Zerstörerinnen des Judentums betrachtet zu werden. Ihre gleichberechtigte und/ oder gleichartige Beteiligung am religiösen Gemeindeleben und an Gottesdiensten in der Synagoge mache die Männer impotent! Dieser Vorwurf der Ent-Mannung wurde seit den 1970er Jahren in den USA laut und lauter. Er wurzelt im negativen Stereotyp der „Jiddischen Mamme“, das ebenso ein Reflex auf veränderte Geschlechterverhältnisse ist – nämlich eine Form der männlichen Abwehr gegen selbstbestimmt handelnde Frauen – und das auch in Deutschland mittlerweile populär ist (z.B. durch die Romane Rafael Seligmanns).

Erkenntnis und Schlussfolgerung

Derzeit bringen jüdische Frauen ihre religiösen und spirituellen Bedürfnisse vehement an die Oberfläche. Mut allein reicht jedoch nicht, um weibliche Gotteserfahrung in der jüdischen Tradition sichtbar zu machen. Zentral erscheint mir neben florierender Publikationstätigkeit jüdischer Autorinnen der generationenübergreifende Diskurs unter Frauen zu sein, unser gemeinsames Lernen und Praktizieren, wie es für mich auch in einem neuen Bat Mitzwa-Ritual zum Ausdruck kommt: Frauen – Verwandte, Bekannte, Freundinnen – versammeln sich um das Bat-Mitzwa-Mädchen, das einen eigenen, noch nicht ganz fertiggestellten Tallit (Gebetsschal) trägt: Die Knoten, die für die Gebote des Judentums stehen, müssen noch in die Schaufäden an seinen Enden eingebunden werden. Jede anwesende Frau erzählt dem Mädchen eine persönliche Geschichte, eine wichtige Erfahrung aus ihrem Leben, „etwas“ aus ihrer Tradition – eine weibliche Gotteserfahrung. Dabei kann es sich auch um einen Bibel- oder Gebetstext, einen Midrasch (Auslegung) oder ein Lied handeln. Wichtig ist der persönliche Bezug, das, was nicht mehr in Vergessenheit geraten soll. Jede Frau spricht die Bat-Mitzwa direkt an, setzt sich neben sie, während die anderen in einem äußeren Kreis bleiben, und fügt während ihres Erzählens einen weiteren Knoten in die Schaufäden ein. Jeder einzelne Knoten steht so symbolisch für eine weibliche Überlieferung. Auf diesem neuen Weg ermächtigen Frauen die Bat-Mitzwa, ihre eigenen Gotteserfahrungen aktiv im Rahmen der jüdischen Tradition weiterzugestalten.

Die Weitergestaltung jüdischer Tradition durch Frauen geschieht in ein gewisses Vakuum hinein, denn beide, Männer wie Frauen haben in unserer modernen Welt durch Assimilation, durch technologischen und medizinischen Fortschritt ihre traditionellen Rollen verloren. Haben wir Mut, die Leere zu empfinden und verlassen wir uns auf unsere Intuition, sie auszufüllen!


Rachel Monika Herweg, Dr., Judaistin, Pädagogin, systemische Familientherapeutin und Supervisorin, Berlin, Mitbegründerin der jüdisch-feministischen Fraueninitiative Bet Debora, Vorstandsmitglied der Interreligiösen Konferenz Europäischer Theologinnen (IKETH), Forschungen u. a. zur Rolle der Frau im Judentum und zum jüdisch-christlichen Dialog.

QUELLE: COMPASS-Infodienst, Online-Extra Nr. 20, November 2005

2006-08-01

Frauen im Judentum

Veröffentlicht: 2010/12/07 in Nicht kategorisiert

Frauen im Judentum

Ein Blick auf die Frauen in der Tora, im Talmud, in der Geschichte und im Kultus belegt, daß sich das Bild Frau in den ersten drei Bereichen fundamental von dem der Frau im Kultus unterscheidet…
von Wolfgang Sunderbrink
Wer kennt dieses Bild nicht: die einzelnen Familien/Ehepaare gehen in die Synagoge, nach Durchschreiten der Türe trennen sich „Männlein und Weiblein“, um den Gottesdienst, getrennt durch einen Vorhang oder „unten und oben“ „gemeinsam“ zu erleben. Frauen zählen nicht zum Quorum, werden nicht zur Thora aufgerufen, und können von Glück sagen, wenn sie zur Bat/Bar-mizwa ihres Kindes den „Männerteil“ betreten dürfen. 

Hier noch ein persönliches Erlebnis, das schlaglichtartig die Probleme der Frauen beleuchtet. Ich vergesse nie den Satz, den mir meine Frau nach dem ersten Besuch in einer liberalen Gemeinde sagte: „Ich gehe nie mehr auf die Empore!“

Ein Blick auf die Frauen in der Tora, im Talmud, in der Geschichte und im Kultus belegt, daß sich das Bild Frau in den ersten drei Bereichen fundamental von dem der Frau im Kultus unterscheidet:

Bekannt ist, daß

  • sich Jüdischkeit über die Mutter definiert,
  • Frauen im Judentum bereits Namen hatten, als es die Römer noch nicht gab, die ihre Frauen nur als Teil einer bestimmten Familie definierten. Julia bedeutet heißt nichts anderes als den Hinweis, dass es sich um eine Frau aus dem Geschlecht der Julier handelt.
  • jüdische Frauen Erbrecht bereits zu einem Zeitpunkt hatten, als in anderen Kulturen daran noch lange nicht zu denken war. Bis in das 19. Jahrhundert n. Z. galt z. B. in Deutschland ein besonderes bäuerliches Erbrecht, das die Frauen vom Hoferbe ausschloss,
  • Frauen für die Beachtung der Kaschrut verantwortlich waren, also mindestens Lesen und Schreiben können mussten, während bei anderen Völkern diese Kenntnisse Herrscherwissen waren, das allein bestimmten Schichten vorbehalten war (so war z. B. Karl der Große Analphabet, der nur mühsam seinen Namen schreiben konnte, Bildung blieb bis in die Neuzeit den ,.gebildeten Ständen“ vorbehalten, das Monopol der Kirchen auf Bildung zerbrach erst mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht),
  • Frauen durch Ehevertrag geschützt waren, als in anderen Kulturen Frauen Handelsware waren.
  • keine jüdische Frau ohne ihre bewusste Mitwirkung geschieden werden konnte.

Beim Durchblättern der Bibel fallen sofort Frauennamen auf, die Büchern den Namen geben (Ruth, Esther). Die Bibel lesend, stolpert man geradezu über Frauennamen: Eva, Sara, Riwka, Rachel und Leah, Mirjam, Debora, Tamar, Rahab, Michal… Frauen als Mutter, Schwester, Geliebte, Richterin, Prophetin, Königin; dann :Akibas Frau, die ihren Mann ernährte und ihn werden ließ, was er werden mußte, ganz zu schweigen von den Händlerfrauen der neueren Zeit , den Politikerinnen (Rosa Luxemburg), den Schauspielerinnen und Dichterinnen.

Morgengebet! Das erste menschliche Lebewesen, das dort positiv definiert wird, ist die Frau. Über die Männer heißt es dreifach „schelo, also: daß ich nicht …“ Die Frauen beten „Der mich nach seinem Willen erschaffen.“ Auf diese Stelle wir später noch zurückzukommen sein.

Aus dem Talmud:
Rabbi Abbahu im Namen von Rabbi Jochanan: Sie fragten Rabbi Eli’eser: Wie weit geht das Ehren von Vater und Mutter? Er antwortete ihnen: Mich fragt ihr das? Geht und fragt den Dama ben Netina! Dama ben Netina war Vorsitzender der Ratsversammlung. Einmal schlug ihn seine Mutter vor dem versammelten Rat. Dabei fiel ihr ihre dazu benutzte Sandale aus der Hand; er aber hob sie für sie auf, damit sie sich nicht darum bemühen musste.

Die Mutter von Rabbi Tarfon stieg am Schabbat hinab ihren Hof, um dort umherzugehen. (Ihre Sandalen lösten sich, und sie durfte wegen des Schabbats nicht neu schnüren.) Rabbi Tarfon aber ging hin und legte seine beiden Hände unter ihre Füße, und sie ging auf ihnen bis zu ihrem Lager.

Groß ist das Ehren von Vater und Mutter, denn der Heilige, gepriesen sei er, hat es seiner eigenen Ehre vorgezogen. Es heißt: Ehre deinen Vater und deine Mutter, und es heißt: Ehre den Herrn von deinem Gut.

Frauen sind von vielen Geboten befreit, vor allem von solchen, die an eine feste Zeit gebunden sind (dazu Kidduschin 1,7), da sie durch die Menstruation, durch das Gebären von Kindern und das Besorgen des Hauswesens, besonders der Kleinkinder, vielfältig daran gehindert sind. Andererseits werden die häuslichen Pflichten der Frauen für so wichtig erachtet daß sie den Vorrang gegenüber der Erfüllung anderer Gebote erhalten.

Die Frau ist von jenen Geboten befreit, die „die Zeit verursacht (bedingt)“. Von einem bestimmten Zeitpunkt unabhängige Gebote und dann auch sämtliche Verbote der Tora gelten für Mann und Frau gleicherweise. Eine Frau soll beten, weil sie dies jederzeit tun kann. Sie ist hingegen von der Teilnahme am Gottesdienst dispensiert, da sie möglicherweise gerade zu diesem Zeitpunkt ihr Kind stillen muß. Ihre spezifischen Verpflichtungen haben Vorrang. Im übrigen ist es der Frau unbenommen, die zeitbedingten Gebote zu erfüllen, wenn sie dazu das Bedürfnis verspürt.

Die jüdische Frau „herrscht“ im Hause (Ps. 45,14).Sie ist für die Erziehung der Kinder in den ersten Jahren, die Zubereitung der Nahrung nach den Speisegesetzen und für die Erfüllung der Erfordernisse bei der Vorbereitung des Schabbat und der Feste verantwortlich, weiter hat sie kultische Reinheitsregeln zu beachten. Es geht also um die Vermeidung einer Pflichtenkollision, nicht aber darum, daß etwa die Frau als minderwertig betrachtet wird.

Die jüdische Frau „herrscht“ im Hause (Ps. 45,14).Sie ist für die Erziehung der Kinder in den ersten Jahren, die Zubereitung der Nahrung nach den Speisegesetzen und für die Erfüllung der Erfordernisse bei der Vorbereitung des Schabbat und der Feste verantwortlich, weiter hat sie kultische Reinheitsregeln zu beachten. Es geht also um die Vermeidung einer Pflichtenkollision, nicht aber darum, daß etwa die Frau als minderwertig betrachtet wird.

Um Frauen zu erfreuen, wurden Änderungen in Ritual und Recht eingeführt. Im Protest gegen die käufliche Tempelaristokratie erklärten die Rabbinen den Tisch des Hauses zum Altar Gottes, anstelle des Tempelleuchters führten sie im Haus die Schabbatlampen ein, die von der Frau entzündet wurden, und die Vorschriften für den Fleischgenuss wurden vom Tempelopferdienst in die Familie verlegt.

Wer seine Tochter mit einem Gelehrten verheiratet, auf dem ruht Gottes Gnade. B.T. Ketuba 111

Ein Jude, der kein Weib hat, ist vom Himmel ausgeschlossen. B.T. Pessachim 113

Der Mann soll die Ehre seiner Frau schützen. B.T. Baba Mezia 59

Wer ist reich? Jeder, der eine gütige Frau hat. B. T. Schabbat 25

Wer seine Tochter einem alten Mann zur Frau gibt über den sagt das Bibelwort. Gott wird ihm nicht vergeben. B. T. Sanhedrin 76

Ein Vater darf seine Tochter nicht verheiraten, solange sie klein ist, sondern erst wenn sie groß ist und sagt. Diesen Mann will ich. B. T. Kidduschin 41

Man soll für Essen und Trinken weniger ausgeben, als man hat für Kleidung so viel wie man hat, und für die Frau mehr als man hat. B. T. Chullin 84

Der Talmud spiegelt, diese Zwischenbilanz sei erlaubt, genau den Aberglauben seiner Zeit in bezug auf die Menstruation, auf Zauberei, auf … kurz, die dem Mann unbegreifliche Andersartigkeit der Frau.

Hier ist auch noch kurz auf das Schir-haSchirim hinzuweisen: durch Rabbi Akiba in den „Kanon“ aufgenommen. Akiba „gewann gegen seine Kollegen“, in dem er erklärte, daß dieses Buch, in dem G’tt nicht erwähnt wird, wohl aber die menschliche Liebe in ihren guten und schlechten Zeiten, ein ganz besonders heiliges Buch sei. In der Gegenwart wurde das Lied als Gabe für jüdische Verlobte übersetzt und gedruckt (Dr. Josef Carlebach aus Hamburg). Zugleich ist es bevorzugte Schabbatlektüre!
Erstaunlich, daß in hier nicht zitierten Teilbereichen durchaus emanzipiertes Frauenbild vermittelt wurde, und daß die heutige Rolle der Frau in der (nicht progressiven) Gemeinde in punkto Selbstbewußtsein hinter dem zurückbleibt, was uns überliefert ist. Erst das progressive Judentum nimmt die Frau wieder als Wesen an, das gleichberechtigt am religiösen Leben teilnimmt.

Allerdings muß hier die Frage erlaubt sein, aus welchen Motiven bzw. mit welcher Begründung das progressive judentum der Frau eine andere Rolle zubilligt. Ärmlich, um nicht zu sagen erbärmlich ist das aus liberalen Kreisen vorgetragene Argument, daß man es sich nicht erlauben könne, die Hälfte der Gemeinde nicht am Gottesdienst zu beteiligen. Im Umkehrschluß bedeutet das, daß die Frauen dann, wenn ihre Zahl sinkt, wieder „auf die Empore zurückgehen“, wenngleich möglicherweise nur im metaphorischen Sinne.
Zur Einschätzung und Wertschätzung der Frau im Judentum vergl. Deutung der Offenbarung am Sinai. Moses erhält von Gott die Anweisung, daß das ganze Volk sich vorbereiten soll, seine Stimme zu hören. Sprich so zum Haus Jakobs, und sage den Söhnen Israels…“ Dazu heißt es in der Exegese: „Haus Jakobs, damit sind die Frauen gemeint, denn die Frau beschirmt den Mann. Gott will zuerst von den Frauen gehört werden. Du, Mose, sprich erst im Namen Gottes sanft mit den Frauen und danach streng zu den Männern, mitsamt allen Konsequenzen, wenn sie Gottes Gebote missachten!“ (Mechilta zur Stelle: Raschi Kommentar)

So spricht auch die Mutter zum König, um ihn zu belehren (Spr. 3 1, 1): „Dies sind die Worte des Königs Lemuel, die seine Mutter ihn lehrte.“
Das Bild der Frau im antiken Judentum zeigt also auf Ebenbürtigkeit, Ehrung, Fortschritt gegenüber einer Umwelt voller Aberglauben und Ängsten. Hier wird die Geliebte und Liebende gerühmt, die Mutter, die anstelle der schwachen Männer handelt, die Schwestern, die ein neues Erbrecht fordern und erhalten.
Auch sonst erscheint das Judentum an einigen Stellen durchaus positiv, was die Einschätzung der Frau angeht.Vielleicht gibt es im Judentum weniger vehemente Konfrontationen zwischen Männern und Frauen, weil eine lange Geschichte der Frauenehrung geprägt hat. Das beginnt mit dem Ja zu Ehe und Sexualität, die nicht als Zugeständnis an den schwachen Leib verstanden werde. Das rabbinische Judentum lehrt die Notwendigkeit der ehelichen Partnerschaft als Weg zum ganzen Menschen. Die Frau ist nicht dem Manne untertan, sie ist Gefährtin. „In allem, was Sara dir sagt, höre auf sie“!!! Die gesamte religiöse Lebensführung in Haus und Familie beruht auf den umfangreichen Kenntnissen der Frauen. Da das Judentum vor allem eine „Religion“ in Haus und Familie ist, bedeutet das mehr als die Wahrung einiger Feiertage
.
Zur Selbstbestimmung der Frau gehört die Vorschrift, ihre Zustimmung zur Ehe zu erfragen. Für den Umgang mit der Ehefrau sind als Teil des rabbinischen Rechts Rücksichtnahme und Zurückhaltung geboten. Auch für die Frau gilt, daß Sexualität Freude bereiten soll und nicht etwa eine verbissene Pflichterfüllung darstellt. „Wenn ein Mann eine Frau neu geheiratet hat so sei er vom Militärdienst befreit … er sei freigestellt für sein Haus, und er bereite Freude seiner Frau, die er genommen hat‘. Dies wird im Talmud erklärt: “ es ist Pflicht des Mannes, seiner Frau sexuelle Freude zu geben.“. Der Mann soll sich nach den Wünschen seiner Frau richten, auch wenn sie diese nicht direkt ausdrückt. Während eines Ehekonflikts darf kein Verkehr erzwungen werden, denn solches ist Prostitution. Ein Betrunkener soll sich nicht seiner Frau aufdrängen. Das gleich gilt im Fall einer beabsichtigten Scheidung, Abraham ben David, ein französischer Jurist des 12. Jhdts. n. Z. erklärte dazu. „Diese Dinge sind auch dann untersagt, wenn der eheliche Verkehr notwendig ist, um das Gebot „Seid fruchtbar und mehret Euch“ zu erfüllen. Nachmanides schrieb in seinem Buch über die Ehe. „Du darfst sie niemals zwingen, denn in einem solchen Akt ist die Gegenwart Gottes nicht anwesend…. Streite nicht mit ihr, und schlage sie nicht um des Beischlafs willen. Unsere Weisen lehrten: Wie der trampelnde, fressende schamlose Löwe ist ein unzarter Mann, er schlägt und erzwingt ohne Scham.“ Diese Belange sind verbindlich kodifiziert und stellen somit über ethische Empfehlungen hinaus juristische Sachverhalte fest.

Bei Scheitern der Ehe ist sie kein Gefängnis. Die Scheidung ist seit eh und je möglich, um eine neue, glücklichere Verbindung einzugehen. Auch hier ist die Frau aktiv beteiligt. Sie muss den Get nehmen, eine „Zustellung durch Niederlegung“ gibt es nicht. Seit der Antike kann die Scheidungsklage übrigen sowohl vom Mann als auch von der Frau bei dem Rabbinatsgericht eingereicht werden. In den Ehevertrag kann, um das Verschwinden des scheidungsunwilligen Ehemanns zum Zweck der „Torpedierung“ der Scheidung zu verhindern, eine Klausel aufgenommen werden, nach der sich beide Partner verpflichten, sich nicht böswillig einer Scheidung zu widersetzen. Dann darf das Rabbinatsgericht für den verlassenen Partner die Scheidung durchführen.
Das jüdische Familienrecht setzt die gegenseitigen Rechte und Pflichten fest, die die Partner auf sich nehmen. Um jede (männliche) Willkür von vornherein auszuschließen, standen der Frau weitgehende finanzielle Rechte bei unverschuldeter Scheidung zu, ebenso aber auch bei Vergehen des Mannes gegen seine Verpflichtungen. Bereits seit der Spätantike existiert die Ketuba, der Ehevertrag. Im Text heißt es unter anderem.“ Der Bräutigam sage zur Braut: Ich will dir dienen, dich ehren und für dich sorgen nach der Pflicht jüdischer Männer. Für die ökonomischen Regelungen bin ich und sind meine Nachkommen mit jedem Besitz verantwortlich, den ich habe oder erwerben werde.“ In diesem Vertrag sind seit 2000 Jahren auch die Ansprüche der Witwe an den Besitz festgelegt. Im Eherecht finden sich ausführliche Bestimmungen dazu.
Diese „kurze Einstimmung“ mag genügen, um nun einen oben begonnenen Faden wieder aufzunehmen. Beginnen wir, uns zu fragen, ob die Rolle der Frau g’ttgegeben und unabänderlich festgeschrieben ist, obwohl die Halacha immer auf sozio-historische und sozio-kulturelle Änderungen reagiert hat:

Beginnen wir, gemeinsam die Tora zu lesen. In Gen. 1, 27 lesen wir: „Da erschuf G’tt den Mensch in seinem Ebenbilde, in dem Ebenbilde G’ttes erschuf er ihn, männlich und weiblich schuf er sie“ (Mendelssohn). Gen. 2 berichtet nun etwas genauer, daß zuerst der Mann, danach die Frau erschaffen wurde.
Es gibt also keine Rollenverteilung, nach der die Frau auf Heim und Herd beschränkt wird, auch keine Verpflichtung zu Ehe und Familie, keine Beschränkung im bereich des Kultus, keine Fixierung auf eine bestimmte Lebensform – nur die Aussage, daß männliche und weibliche Menschen erschaffen wurden. Den (uns) Männern sollte zu denken geben, daß die Frauen nach den Männern erschaffen wurden. Wenn es richtig ist, daß G’tt in aufsteigender Folge erschuf, welche Schlußfolgerung ziehen wir dann daraus, daß die Frau nach dem Mann erschaffen wurde?
Greifen wir noch eine andere Stelle aus der Tora heraus. Es wird berichtet von dem Tod eines Mannes. In Anbetracht des Umstandes, daß 600.000 Menschen während der Wüstenwanderung gestorben sind, also statistisch eine Menge von Toten pro Tag zu verzeichnen war, kann der Bericht über den Tod eines einzelnen Menschen nur bedeuten, daß wir zum nachhaltigen Lernen aus dieser Parascha angehalten sind. Was wir lernen, ist (für uns heute) ganz selbstverständlich: Männer und Frauen sind erbberechtigt, hier also: Gleichberechtigung vor dem Gesetz! Die tribale „Einschränkung“ ist dem Zeitgeist geschuldet.
Noch eine andere Stelle ist wichtig, genauer betrachtet zu werden. Über Mirjam, Moses‘ Schwester lesen wir, daß sie eine Prophetin war. Eine gleiche Aussage findet sich wegen einer weiteren Prophetin. Interessant ist in diesem Zusammenhang, was fehlt, nämlich die Erwähnung der Familie. Ehelosigkeit war also kein Problem, was zugleich verdeutlicht, daß klar gesehen wurde, daß das Gebot, fruchtbar zu sein und sich zu mehren, durchaus nicht das Lebensmodell für alle Menschen war und auch nicht so verstanden wurde!
Über Michal, um den kurzen Ausflug durch den Tanach zu beenden, wird berichtet, daß sie Tefillin gelegt habe, und aus einer anderen Stelle ist zu entnehmen, daß auch Frauen an den Pilgerfesten teilgenommen haben. Wie sollten sie dann von anderen Pflichten entbunden gewesen sein?
Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß die Tora noch keine auf „Küche, Kirche, Kinder“ beschränkte Rolle der Frau kennt. Das bleibt der talmudischen Zeit vorbehalten. Unter dem Deckmantel der Rücksichtnahme und Frauenehrung wird die Frau bzw. ihre Rolle in nicht-tora-gemäßem-Maß eingeengt.
Dieser Widerspruch wurde auch durchaus zu späteren Zeiten gesehen und erkannt. Hier sei nur kurz auf den Aufsatz von Miriam Lübke verwiesen, der sich mit einem bestimmten Responsum befaßt. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß auch im Mittelalter durchaus unumstritten war, daß Frauen zur Tora aufgerufen werden können. Weiter ist auf die denkwürdige Begründung im kizzur schulchan aruch zur Frage des Kaddisch-Betens durch eine Frau zu verweisen. Für die, die den Kizzur als unzeitgemäß aus ihrem Bücherschrank verbannt und ihn nie gelesen haben, hier die zusammengefaßte Erklärung: selbstverständlich spricht nichts dagegen, daß Frauen den Kaddisch beten, abgesehen von „der Ehre der Gemeinde“.
Zum Schluß erlaube ich mir, auf eine „persönliche Schwäche“ zurückzukommen. Bereits oben war die Rede von der dreimalig negativen Definition der Rolle des Mannes, nicht als Nichtisraelit, nicht als Sklave und nicht als Frau geboren zu sein. Ich kann durchaus verstehen, daß die letzte Feststellung die Frauen kränkt und beleidigt, ich bitte nur, diese Passage nicht als Herabwürdigung der Frauen zu sehen, sondern sie in ihrem Kontext zu verstehen: alle genannten Gruppen waren der Tora nicht voll unterworfen, so daß im Endeffekt der Mann dafür dankt, das „Joch der Tora“ voll auf sich nehmen zu müssen. Im übrigen hielt (und halte) ich es aus kompositorischen Gründen für merkwürdig, die Trias der negativen Begründungen durch ein „Duo“ zu ersetzen. Daher würde ich es begrüßen, diesen bekannt nicht frauenfeindlich gedachten (aber so verstandenen) Teil des Morgengebetes aus später noch in nicht-progressiven Siddurim als Option zu finden.
Laßt uns also gemeinsam daran gehen, auf die soziokulturellen Veränderungen fundamentiert zu reagieren und deutlich zu machen, daß die Tora 70 Gesichter hat, und nicht nur eines, und noch dazu ein frauenfeindliches.

was zum hören

Veröffentlicht: 2010/12/01 in Nicht kategorisiert

Jerusalem

Veröffentlicht: 2010/11/15 in Nicht kategorisiert

Jerusalem

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Flagge/Wappen Lage
Flagge Jerusalems Seitenverhältnis 8:11Wappen Jerusalems Lage Jerusalems in Israel
Basisdaten
Staat: Israel Israel
Bezirk: Jerusalem
Geographische Lage: 31° 46′ 45″ N, 35° 13′ 25″ OKoordinaten: 31° 46′ 45″ N, 35° 13′ 25″ O (Karte)
Höhe: 606–826 m über dem Meeresspiegel
Fläche: 126,4 km²
Einwohner: 769.400 (Juni 2009)[1]
Bevölkerungsdichte: 5.768 Einwohner /km²
Telefonvorwahl: 02
Website: www.jerusalem.muni.il
Politik
Bürgermeister: Nir Barkat

Jerusalem (hebräisch ירושלים Jeruschalajimaltgriechisch Ἱεροσόλυμα, lateinisch Hierosolymaarabisch ‏القدس‎ al-Quds (asch-Scharif) ‚die Heilige‘, türkisch Kudüs) ist die Hauptstadt des Staates Israel. Sie liegt in den Judäischen Bergen zwischen Mittelmeer und Totem Meer und hat 770.000 Einwohner. Dort befinden sich der Sitz desisraelischen Präsidenten, die Knesset, Einrichtungen der Judikative und Exekutive Israels, die 1918 gegründete Hebräische Universität und die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem.

Jerusalem wurde um 1800 v. Chr. erstmals erwähnt. In ihr begegnen sich viele Kulturen der Antike und Moderne. Die Altstadt ist in das jüdische, christliche, armenische und muslimische Viertel gegliedert und von einer Mauer umgeben.

Der politische Status der Stadt ist international umstritten und Teil des Nahost-KonfliktsOstjerusalem, das bedeutende religiöse Stätten des JudentumsChristentums und desIslam beherbergt, wird von Palästinenser-Organisationen als Hauptstadt eines zukünftigen palästinensischen Staates beansprucht.

Inhaltsverzeichnis

Klima

Monatliche Durchschnittstemperaturen und -niederschläge für Jerusalem
Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez
Max. Temperatur (°C) 12 13 16 21 25 28 29 29 28 25 19 14 Ø 21,6
Min. Temperatur (°C) 4 4 6 9 12 15 17 17 16 14 9 6 Ø 10,8
Niederschlag (mm) 142,2 114,3 99,1 30,5 2,5 0 0 0 0 22,9 68,8 109,2 Σ 589,5
Quelle: [2]

Geschichte

Frühzeit

 

Jerusalem im 1. Jahrhundert

Seit 5000 v. Chr. sind Spuren menschlicher Siedlungen – keramische Ausgrabungsfunde – auf dem Berg Ophel nachgewiesen, auf dem Jerusalems Vorläufer erbaut wurden. Ägyptische Ächtungstexte von etwa 1900 v. Chr. und die Amarnabriefe aus dem 14. Jahrhundert v. Chr. belegen eine Stadt namens Uruschalim(um) (ägyptisch 3wš3mmakkadisch KURU-ru-ša10-limKI), wörtlich „Stadt des Schalim“, Stadt eines kanaanitischen Gottes der Abenddämmerung, oder im übertragenen Sinne „Stadt im Westen“.

Nach biblischen Erzählungen Ri 1,21 und Jos 15,63 gehörte die Stadt den Jebusitern, die mit den Israeliten vom Stamm Benjamin und Juda bei der Landnahme Kanaans (etwa 1200-1000 v. Chr.) in Nachbarschaft siedelten. Der Ort hieß damals auch Jebus oder Jebusiterstadt und „Stadt der Fremden“ (Ri 19,10ff), deren Könige mit anderen Gegnern der Zwölf Stämme IsraelsKriegskoalitionen bildeten (Jos 10; 18,16). Mit dem Stadtnamen verwandt ist das hebräische Wort Schalom, so dass Jerusalem in Gen 14,18 einfach Salem („Frieden)“ genannt wird.

Erst eine redaktionelle Notiz in Ri 1,8 ließ den Stamm Juda die Stadt als Auftakt der Eroberung Kanaans erobern und zerstören.[3]

Zeit des ersten Tempels

Alle Angaben zur Frühzeit Jerusalems beruhen auf biblischer Überlieferung und stehen unter dem Vorbehalt, dass eine außerbiblische Bestätigung dafür oft fehlt. Danach gelang es erst KönigDavid, Jerusalem mit den übrigen kanaanäischen Stadtstaaten zwischen dem Norden und Süden Gesamtisraels um das Jahr 997 v. Chr. zu erobern. Er verlegte um 1003 v. Chr. die Hauptstadt seines Reiches von Hebron nach Jerusalem. Indem er die Bundeslade dorthin überführte, machte er die „Davidsstadt“ zum politischen und religiösen Mittelpunkt des Königreiches Israel. Damals befand sich das Stadtzentrum südlich der heutigen Altstadt im Hinnom-Tal, der Platz des späteren Tempels auf einer Anhöhe nördlich der damaligen Stadt.

Davids Sohn Salomo (um 969–930) erbaute laut 1 Kön 8 einen Palast und den ersten Tempel für JHWH, den David geplant hatte. Als Tempelstadt wurde Jerusalem das Zentrum des Judentums in und außerhalb Israels. Nach Salomos Tod 926 v. Chr. und der Spaltung des Königreichs in die Staaten Juda (Süden) und Israel (Norden) wurde Jerusalem die Hauptstadt des Südreiches Juda.

Königin Atalja (845–840) entweihte den Tempel, indem sie dort den Baalskult einführte. Unter König Ahas (741–725) wurden vielleicht auch assyrische Götter verehrt. Erst Hiskija (725–697) reinigte den Tempel und sicherte die Stadt durch Mauern und einen Tunnel zur Wasserversorgung. Joschija machte 628 v. Chr. Jerusalem zur alleinigen legitimen israelitischen Kultstätte, indem er die übrigen Heiligtümer zerstören ließ. Im Nordreich Israel wurde der Jerusalemer Tempelkult abgelehnt: Unter den Omriden war Israel mit dem Zentrum in Samaria wirtschaftlich und militärisch dem Südreich überlegen.

Nebukadnezar II. eroberte Jerusalem erstmals 605, nochmals 597 v. Chr.; beim zweiten Mal führte er die jüdische Oberschicht in die Gefangenschaft und setzte Zedekia als Vasallenkönig ein. Nach dessen Bruch mit den Babyloniern ließ Nebukadnezar Jerusalem 586 v. Chr. und seinen Tempel zerstören und führte die Reste der Führungsschicht, darunter Zedekia, in das babylonische Exil.[4]

Zeit des zweiten Tempels

Nach der Einnahme Babylons erlaubte Kyros II. mit dem Kyros-Edikt den dort exilierten Juden 538 v. Chr. die Heimkehr und den Wiederaufbau ihres Tempels. Dieser dauerte mehrere Jahrzehnte. Dabei trennten sich die Judäer von denSamaritanern, die sie als mit den Nachbarn blutvermischt und häretisch ansahen. Daraufhin bauten diese sich ihr eigenes Heiligtum auf dem Garizim.

Unter römischer Herrschaft wurde der von Herodes dem Großen ausgestattete zweite Tempel im Jahre 70 n. Chr. am Ende des Jüdischen Krieges durch Titus zerstört. Die Römer und Byzantiner, sechshundert Jahre die Herrscher über Palästina, machten Caesarea zur Hauptstadt.

 

Jerusalem auf der Mosaikkarte von Madaba

Unter römischer und christlicher Herrschaft

Hadrian verbot nach dem Bar-Kochba-Aufstand Juden unter Androhung der Todesstrafe den Zutritt zur Stadt und benannte sie in (Colonia) Aelia Capitolina um, wobei Aelius Hadrians Mittelname war und Capitolina sich auf den römischen Kapitolhügel bezog, das Zentrum der Verehrung des römischen Hauptgottes Jupiter. Auf dem Tempelberg wurde denn auch ein Jupitertempel errichtet. Die jüdischen Bewohner emigrierten in die jüdische Diaspora rund ums Mittelmeer, viele wanderten ins Perserreich aus.

Nachdem Kaiserin Helena im Heiligen Land Grabungen veranlasst hatte, ließen sie und ihr Sohn Konstantin am Ort der vermuteten Kreuzauffindung die Grabeskirche erbauen.

 

Hartmann Schedel: Die Zerstörung von Jerusalem (1493)
 

Die älteste gedruckte Stadtansicht von Jerusalem von Hartmann Schedel, Nürnberg 1493

Nach einer kurzen Besetzung durch die Perser (614–628) und ihre jüdischen Verbündeten, in deren Verlauf geschätzte 90.000 Christen ermordet wurden,[5] wurde die Stadt nach dem Sieg des oströmischen Kaisers Herakleios an Byzanz zurückgegeben.

Mittelalter

Im Jahre 638 belagerten Araber im Zuge der islamischen Expansion die Stadt; sie wurde vom Patriarchen Sophronius (560–638) freiwillig übergeben, nachdem keine Hoffnung mehr auf Entsatz bestand und die Belagerer dem Abzug der Christen, die die Stadt verlassen wollten, zugestimmt hatten. Unter muslimischer Herrschaft gab es sowohl Phasen einer explizit christenfeindlichen Haltung als auch Phasen von Toleranz gegenüber christlichen Pilgern und Bewohnern. So wurde Kaiser Karl der Große (9. Jahrhundert) vom muslimischen Herrscher als Schirmherr der heiligen Stätten eingesetzt.

Im Jahr 1009 wurde die Grabeskirche auf Befehl des Fatimiden-Kalifen al-Hakim zerstört, was den Anstoß zum ersten Kreuzzug gab. In dessen Verlauf eroberten die Kreuzritter unter Gottfried von Bouillon 1099 Jerusalem und töteten in drei Tagen bis zu 20.000 Bewohner. Nach der christlichen Eroberung von Jerusalem gründeten die Kreuzritter das Königreich Jerusalem.

Im Jahre 1187 gelang es Saladin (arabisch Salah ad-Din Yusuf ibn Ayub), dem Sultan von Ägypten, Jerusalem nach kurzer Belagerung zu erobern. Er ließ nach seinem Sieg über die Kreuzfahrer das von ihnen errichtete goldene Kreuz auf der Kuppel des Felsendoms, des Templum Domini – der Kirche der Kreuzfahrer –, und die Marmorverkleidung des Felsens samt Altar entfernen. Im Verlauf des dritten Kreuzzuges plante Richard Löwenherz die neuerliche Rückeroberung der Stadt, führte aber den Angriff aufgrund militärischer Aussichtslosigkeit nicht aus. Ein kurzes Intermezzo bildete die Herrschaft Kaiser Friedrichs II. als selbst proklamierten König von Jerusalem von 1229 bis 1244, der die Stadt ohne militärische Aktion, durch Verhandlung mit dem Ayyubiden-Sultanal-Kamil, erhalten hatte.

1244 eroberten choresmische Söldner im Dienste des Ayyubiden-Sultans As-Salih die Stadt. 1260 wurde die Ayyubiden-Dynastie von den Mamluken abgelöst, die Jerusalem bis ins frühe 16. Jahrhundert beherrschten. Jerusalem hatte damals weniger als 10.000 Einwohner und keine politische Bedeutung. Unter muslimischer Herrschaft galten nur die Muslime als vollgültige Bürger. Christen und Juden mussten sich durch ihre Kleidung kenntlich machen. Sie durften ihre Religion als Anhänger einer Buch-Religion zwar im Allgemeinen ausüben, wurden aber rechtlich in fast allen Lebensbereichen diskriminiert und mussten eine Zusatzsteuer zahlen. Dennoch existierten in dieser Zeit immer ein christliches und ein jüdisches Viertel in der Stadt und ein ständiger, wenn auch kleiner Strom von christlichen und jüdischen Besuchern und Pilgern.

Unter osmanischer Herrschaft

Im Jahre 1516 besiegte die Osmanische Armee unter der Führung Sultan Selim I. (1470–1520) die Mamluken in Syrien. In weiterer Folge wurde Ägypten und Arabien durch die Osmanen erobert. Jerusalem wurde zum Verwaltungssitz eines osmanischen Sandschaks (Regierungsbezirk). Die ersten Jahrzehnte der türkischen Herrschaft brachten Jerusalem einen deutlichen Aufschwung.

 

Sultan Süleyman I. ließ nach der Eroberung Jerusalems eine neue Stadtmauer sowie die Zitadelle errichten, beide stehen heute unter Denkmalschutz und sind UNESCO-Weltkulturerbe.

Nach 1535 ließ Sultan Süleyman I. (1496–1566) die Befestigungen der Stadt in zum Teil veränderter Linie erneut errichten, so wie sie gegenwärtig zu sehen sind. Durch diese Mauern erhielt die Altstadt ihre heutige Struktur. Die viel zu großen neuen Mauern um den heiligen Symbolort sollten für die neue Herrschaft ein Zeichen setzen. Jerusalem gewann in der Folgezeit viel an Bedeutung. Die osmanische Verwaltung war sich uneinig in ihrer Haltung gegenüber den Juden sowie Christen und schwankte zwischen Gewaltherrschaft und Toleranz.

Die verarmten Juden und Christen lebten überwiegend vom Pilgergewerbe. Der Besitz der Heiligtümer Jerusalems war wegen der damit verbundenen Almosen eine lebenswichtige Einnahmequelle. Aus diesem Grund kam es damals teilweise zu erbitterten, manchmal gewaltsamen Konflikten unter den christlichen Kirchen um einzelne Besitzrechte. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, also lange vor den vom Zionismus geprägten Alijas (Einwanderungswellen) des 20. Jahrhunderts, kamen immer mehr Juden in die Stadt, und es wurden erste Wohngebiete außerhalb der Stadtmauern gegründet. Um 1880 war etwa die Hälfte der rund 30.000 Einwohner Jerusalems jüdisch.[6] Am 9. Dezember 1917 übergab der osmanische Gouverneur der Stadt, auf Befehl der Führung der osmanischen Streitkräfte, Jerusalem kampflos an die Briten, da man Kämpfe in und um der Stadt verhindern wollte, um die historischen Stätten nicht zu beschädigen. General Edmund Allenby marschierte an jenem Tag in die Stadt ein.

 

Basar in der Altstadt
 

In der Altstadt von Jerusalem
 

Mahane Yehuda Market

Nach dem Ersten Weltkrieg unterstand Jerusalem dem Völkerbundsmandat für Palästina und wurde Sitz des Hohen Kommissars und der Mandatsverwaltung.

UN-Teilungsplan

Seit Beginn des Nahostkonflikts war Jerusalem zentraler Streitpunkt. Vertreter beider Gruppen beanspruchen die Stadt oder zumindest Teile davon als Hauptstadt Israels beziehungsweise Palästinas. Deshalb sah der Teilungsvorschlag der Vereinten Nationen von 1947 vor, auf dem Gebiet des heutigen Israel einen vorwiegend jüdischen und einen palästinensischen Staat zu schaffen und Jerusalem unter internationale Verwaltung zu stellen. Die Stadt sollte als corpus separatum von den UN durch einen Treuhänderrat und einen Gouverneur regiert werden. Lokaler Gesetzgeber sollte ein Rat sein, den die Stadtbewohner nach den Regeln der Verhältniswahl wählen sollten. Gegen seine Entscheidungen – sofern sie den Status der Stadt beträfen – behielten sich die UN ein Vetorecht vor. Die Stadt sollte demilitarisiert, neutral und von einer aus ausländischen Truppen rekrutierten Polizei geschützt werden. Sie sollte Teil eines gemeinsamen Handelsraums sein, den Bürger beider Staaten betreten und bewohnen durften. So sollte der gleichberechtigte Zugang zu den heiligen Stätten der drei Weltreligionen gesichert werden.

Am 29. November 1947 nahmen über zwei Drittel der UN-Vollversammlung mit der Resolution 181 diesen Plan an. Es folgten die Resolutionen 194 vom 11. Dezember 1948 und 303 vom 9. Dezember 1949.[7] Der Teilungsplan wurde jedoch nie umgesetzt: Die arabischen Staaten betrachteten ihn als unzumutbaren Verzicht auf einen Teil des „Dar al Islam“. Bis 1952 versuchten die Vereinten Nationen mehrmals ergebnislos, den Status Jerusalems zu klären.

Unabhängigkeitskrieg

Die Israelische Unabhängigkeitserklärung von 1948 erwähnte Jerusalem nicht, versprach aber, dass Israel die heiligen Stätten aller Religionen beschützen werde. Am Folgetag griffen die arabischen Staaten Israel an. Im Israelischen Unabhängigkeitskrieg eroberten die Israelischen Streitkräfte große Gebiete des Landes, verloren jedoch das jüdische Viertel der Altstadt Jerusalems und den Osten der Stadt an die Arabische Legion Jordaniens. Jerusalem blieb deshalb bis 1967 in das israelische Westjerusalem und das jordanische Ostjerusalem geteilt. Dessen jüdische Bevölkerung wurde vertrieben, das jüdische Viertel in der Altstadt zerstört, und der Zugang zur Klagemauer, dem heiligsten Ort des Judentums, blieb Juden fortan versperrt.

1948 erließ der israelische Verteidigungsminister eine Verordnung, dass im Westen der Stadt wie in jedem Teil Palästinas, den er als von israelischen Truppen gehalten erkläre, israelisches Gesetz gelte. Ende 1949 erklärte Premierminister David Ben Gurion vor der Knesset Jerusalem zum untrennbaren Teil Israels und seiner ewigen Hauptstadt. Diese Position bestätigte das Parlament.

Erklärung zur Hauptstadt Israels

Am 4. Januar 1950 erklärte Israel Jerusalem zu seiner Hauptstadt. Dies erkannten nur wenige Staaten an. König Abdallah ibn Husain I. von Jordanien annektierte daraufhin das von seinen Truppen eroberte Westjordanland und Ostjerusalem. Nur Pakistan erkannte dies an, Großbritannien erkannte nur die Annexion des Westjordanlandes an.

Seit 1952 akzeptierte die internationale Staatengemeinschaft die De-facto-Anwendung israelischen Rechts in Westjerusalem. Die Forderung, die Stadt zu internationalisieren, war immer weniger mit der Realität zu vereinbaren und wurde deshalb im Laufe der Zeit nicht mehr von den UN erhoben. Die israelische Position besagt, dass der Westen der Stadt ohne Souverän gewesen sei, als sich Großbritannien 1948 aus seinem vormaligen Mandatsgebiet zurückgezogen hatte, und Israel so in einem Akt der Selbstverteidigung gegen die angreifenden arabischen Armeen die rechtmäßige Souveränität über das Gebiet erhalten habe.

Sechstagekrieg und die Folgen

 

Jerusalem
 

Jerusalem nach 1967

Im Sechstagekrieg 1967 war die Strategie der israelischen Armee ursprünglich rein defensiv. Israel wollte Jordanien aus dem Krieg heraus halten, auch noch nachdem das jordanische Militär am Morgen des 5. Juni mit dem Artilleriebeschuss Westjerusalems begonnen hatte. Erst nachdem Jordanien das neutrale Hauptquartier der Vereinten Nationen eroberte, entschloss man sich zu handeln. In den nächsten drei Tagen wurde erst das UN-Hauptquartier, dann der jordanische Militärstützpunkt auf dem Giv’at HaTahmoschet („Munitionshügel“) und schließlich die Altstadt erobert. Dabei verzichteten die israelischen Streitkräfte zur Schonung von Moscheen und Kirchen auf den Einsatz schwerer Waffen und nahmen dafür erhebliche Verluste in Kauf: Von insgesamt rund 800 israelischen Kriegstoten fielen 183 in Jerusalem. Erstmals seit der Staatsgründung konnten Juden fortan an der Klagemauer beten. Anders als die arabische Seite 1949 den Juden verweigerte Israel den Muslimen nicht den Zugang zu ihren heiligen Stätten, sondern unterstellte denTempelberg einer autonomen muslimischen Verwaltung (Waqf).

Nach dem Ende des Krieges verabschiedete die Knesset das Law-and-Administration-Ordinance-Gesetz, das es der Regierung erlaubte, das israelische Gesetz, Israels Jurisdiktion und Verwaltung auf alle Gebiete des ehemaligen Mandatsgebiets auszuweiten. Gleichzeitig wurde die Gemeindeverwaltungsordnung geändert, wodurch es möglich wurde, die Verwaltungsgrenzen Jerusalems auf den Osten der Stadt auszuweiten. Das Stadtgebiet wurde im Süden, Osten und Norden erheblich erweitert, im Norden bis an die Grenze von Ramallah einschließlich des Flughafens Kalandia (siehe Karte). Allerdings wurden bestimmte gesetzliche Arrangements zugunsten der arabischen Bewohner der Stadt beschlossen, die im Legal and Administrative Matters (Regulation) Law von 1970 festgeschrieben sind. Die arabischen Stadtbürger wurden auch nicht automatisch Israelis, es wurde ihnen jedoch ermöglicht, recht unkompliziert die israelische Staatsbürgerschaft zu erwerben, wovon allerdings nur wenige Gebrauch machten. Der Außenminister Israels, Abba Eban, erklärte daraufhin in einem Brief vom Juli 1967 an den UN-Generalsekretär, dass Israel Ostjerusalem nicht annektiert, sondern nur verwaltungstechnisch integriert habe. Trotzdem wurde dieser Schritt von UN-Einrichtungen kritisiert. In der Resolution 242 des UN-Sicherheitsrates wird Jerusalem nicht explizit erwähnt.

Die Position der israelischen Regierung ist, dass weder Jordanien und noch ein anderer Staat außer Israel jemals Souveränität über die Stadt erhalten habe. Jordanien habe Jerusalem 1948 in einem Akt der Aggression unter seine Kontrolle gebracht, wogegen Israel 1967 in Selbstverteidigung gehandelt habe und schon deshalb bessere Ansprüche geltend machen könne. Annexionen sind nach dem Völkerrecht jedoch auch nach Verteidigungskriegen verboten. Die israelische Position besagt, dass die Resolution 181 der Vollversammlung als völkerrechtlich nicht bindendes Dokument keine Gültigkeit besitze und aufgrund der arabischen Ablehnung niemals relevant gewesen sei, weshalb der Status Jerusalems als corpus separatum obsolet worden sei. Darüber hinaus gebe es weder einen völkerrechtlichen Vertrag dahingehend, noch sei der Status Jerusalems als corpus separatum Völkergewohnheitsrecht.

Bezüglich der heiligen Stätten wurde von der Knesset 1967 das Preservation of the Holy Places Law erlassen, das den freien Zugang zu diesen und deren Schutz vor Entweihung gewährleistet. In Berufung auf dieses Gesetz verhindert die israelische Polizei, um die öffentliche Ordnung und die Sicherheit zu gewährleisten, dass nationalreligiöse Juden wie die in der Nationalist Groups Association organisierten auf dem Tempelberg öffentliche Gottesdienste abhalten.

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Siedlungsbau

Die größte jüdische Siedlung bei Jerusalem ist die 1975 gegründete Trabantenstadt Ma’ale Adumim, die von rund 34.000 Menschen bewohnt wird (Stand Januar 2008).

Um Platz für den Sicherheitszaun östlich von Jerusalem zu schaffen, wurden verschiedene Häuser abgebrochen, die hauptsächlich von Palästinensern bewohnt waren.

Jerusalemgesetz und Camp David

 

Die Klagemauer, im Hintergrund derFelsendom
 

Umgebung von Jerusalem; Karte von 1888
 

Jerusalem; Karte von 1888

Im Vertragswerk von Camp David wurde Jerusalem ausgeklammert. In den beigefügten Briefen an den Gastgeber von Camp David, den Präsidenten derUSAJimmy Carter, erklärte Menachem Begin für Israel, dass Jerusalem die unteilbare Hauptstadt Israels sei. Sadat erklärte, dass das „arabische Jerusalem ein integraler Teil des Westjordanlands“ sei und „unter arabischer Souveränität stehen“ solle. Er sprach sich jedoch gleichzeitig dafür aus, bestimmte Funktionen der Stadt einem gemeinsamen Rat zu überantworten. In diesem Sinne solle die Stadt ungeteilt sein, schrieb Sadat.

Das Jerusalemgesetz vom 30. Juli 1980 fasste beide Stadtteile und einige Umlandgemeinden zusammen und erklärte die Stadt zur untrennbaren Hauptstadt Israels. Darin sieht die palästinensische Seite ein Haupthindernis auf dem Weg zum Frieden. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationenerklärte die Annexion Ostjerusalems für nichtig (UN-Resolution 478). Die Resolution empfiehlt allen Staaten, deren Botschaften ihren Sitz in Jerusalem hatten, diese aus Jerusalem abzuziehen.

Zu diesem Zeitpunkt hatten von 45 Staaten 13 den Sitz ihrer Botschaften in Jerusalem: BolivienChileKolumbienCosta Rica, die Dominikanische RepublikEcuadorEl SalvadorGuatemalaHaiti, die NiederlandePanamaUruguay und Venezuela. Alle anderen Botschaften hatten ihren Sitz in Tel Aviv. Alle 13 betroffenen Staaten folgten der Resolution. 1982 verlegten zwei Staaten, Costa Rica und El Salvador, ihre Botschaften zurück nach Jerusalem, revidierten diese Entscheidung im Spätsommer 2006 jedoch wiederum und verlegten ihre Botschaften erneut zurück nach Tel Aviv. Es befinden sich Generalkonsulate von Griechenland, Großbritannien, Frankreich und den USA in Jerusalem. Der US-Kongress beschloss 1995, die US-Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, da Israel – wie alle Staaten – das Recht habe, seine Hauptstadt selbst zu bestimmen. Diese Willenserklärung wurde jedoch bis heute (2010) nicht umgesetzt.

Erklärung zur Hauptstadt Palästinas

1988 gab Jordanien seinen Anspruch auf Souveränität über das Westjordanland und damit auch auf Ostjerusalem auf. Im selben Jahr rief die PLO den Staat Palästina aus und erklärte Jerusalem zu seiner Hauptstadt, was zu diesem Zeitpunkt – obwohl diese Unabhängigkeitserklärung von vielen arabischen Staaten anerkannt wurde – reine Fiktion war. Völkerrechtlich müssen neben der Ausrufung eines Staates vier Voraussetzungen erfüllt sein, um einen Staat entstehen zu lassen: Es muss ein Staatsgebiet sowie ein Staatsvolk geben, über die es eine effektive Regierung und Kontrolle gibt. Außerdem muss der neue Staat die Fähigkeit besitzen, internationale Beziehungen einzugehen. Die PLO war zu diesem Zeitpunkt weit davon entfernt, effektive Kontrolle über irgendeinen Teil der umstrittenen Gebiete auszuüben.

Oslo-Prozess

In der Prinzipienerklärung über die vorübergehende Selbstverwaltung, die Israel und die PLO am 13. September 1993 unterzeichneten, wird die palästinensische Selbstverwaltung, wie sie in zwei Formen für das Westjordanland festgeschrieben wurde (Gebiete A und Gebiete B), für keinen Teil Jerusalems bestimmt. Der Endstatus der Stadt soll im Zuge des Oslo-Friedensprozesses in einem endgültigen Vertrag bestimmt werden. Die Declaration of Principles erlaubt es den palästinensischen Bürgern Jerusalems, nach einem Abkommen zwischen den beiden Seiten an den Wahlen zur Palästinensischen Autonomiebehörde teilzunehmen.

Tempelberg

Der Tempelberg ist heute dem islamischen Waqf unterstellt, Ausgrabungen sind dort nicht möglich. Der Waqf erstellte in den vergangenen Jahren eine neue Moschee in den so genannten Ställen Salomos, was wegen der möglichen unbemerkten Zerstörung von Resten der beiden jüdischen Tempel auf israelische Ablehnung stieß. Allerdings dürfte bereits der Bau des herodianischen Tempels zu einer weitgehenden Beseitigung früherer Spuren geführt haben. Ebenso dürften dessen nochmalige Zerstörung, die Errichtung eines römischen Heiligtums und schließlich die islamischen Bauarbeiten wenig Überreste früherer Zeiten übrig gelassen haben.

Einwohnerentwicklung

 

Orthodoxer Jude in der Ben-Jehuda-Straße
 

Altstadt von Jerusalem

1979 lebten bereits wieder 50.000 Juden in Ostjerusalem, 1993 waren es schon 160.000. Der Anteil der jüdischen Bewohner in Jerusalem lag 2005 bei 65 %, der arabische Anteil bei 32 % und der christliche Anteil bei 2 %.[8]

Die folgende Übersicht zeigt die Einwohnerzahlen nach dem jeweiligen Gebietsstand.

Jahr Einwohner
1525 4.700
1538 7.900
1553 12.384
1562 12.650
1800 8.750
1838 11.000
1844 15.510
1876 25.030
1896 45.430
1905 60.000
1913 75.200
1917 53.410
Jahr Einwohner
1922 62.053
1931 90.451
1946 205.100
1948 164.440
1967 262.609
1977 345.600
1980 407.100
1985 457.700
1990 524.400
1995 617.042
2000 657.500
2005 718.900

Religionen

Heilige Stadt für Juden, Christen und Muslime

 

Die Klagemauer

Jerusalem wird von Christen, Juden und Muslimen als Heilige Stadt angesehen. Für alle drei Religionen ist Jerusalem als Wirkungsort verschiedener Propheten beziehungsweise Heiliger wieAbrahamSalomonDavidZacharias und anderen bedeutend. Das statistische Jahrbuch von Jerusalem listet 1204 Synagogen, 158 Kirchen und 73 Moscheen im Stadtgebiet.[9] Orte, wie der Tempelberg, sind seit jeher umstritten und Ursache für Konflikte.

Seit dem 10. vorchristlichen Jahrhundert ist Jerusalem den Juden als Ort des Salomonischen und Zweiten Tempels heilig (siehe Israelitischer Tempel). Im Alten Testament wird die Stadt 632-mal erwähnt. Immer wieder steht die Stadt im Mittelpunkt der Heils- und Gerichtsankündigungen des biblischen Gottes, so vor allem bei den Propheten Daniel, Jeremia, Jesaja, Ezechiel, Sacharja und den Psalmen.

Beispiele
„So spricht Gott der Herr: Das ist Jerusalem, das ich mitten unter die Heiden gesetzt habe und unter die Länder ringsumher! Ez 5,5 “
„Und ihr sollt’s erfahren, dass ich, der Herr, euer Gott, zu Zion auf meinem heiligen Berge wohne. Joel 4,17 “
„Vergesse ich dich, Jerusalem, so verdorre meine Rechte. Ps 137,5 “

Sowohl die Stadt Jerusalem als auch das Land und Volk Israels stellt die Bibel als Gottes Eigentum dar. Bedeutsam ist hier die literarische Darstellung Jerusalems als ein Findelkind, das von Gott aufgezogen wird (Ezechiel 16), sowie die Zusagen Gottes an die Stadt in den Psalmen, die wie Eheversprechen formuliert sind. Heute ist die Klagemauer, die westliche Umfassungsmauer des Tempelbezirks, ein heiliger Ort für Juden, nur der Tempelberg selbst übertrifft sie an Bedeutung.[10] Der Toraschrein von Synagogen weltweit befindet sich traditionell an der Wand, die Jerusalem zugewandt ist.[11] Der Ort des Toraschreins von Synagogen in Jerusalem selbst richtet sich nach dem Allerheiligsten. Wie in derMischna beschrieben und im Schulchan Aruch kodifiziert, werden die täglichen Gebete im Judentum in Richtung Jerusalems und des Tempelberges verrichtet.

 

Das Portal der Grabeskirche

Den Christen ist Jerusalem heilig, da es der Ort der LeidensgeschichteKreuzigung und Auferstehung von Jesus Christus ist. Über 100-mal wird Jerusalem im Neuen Testament erwähnt, nach der Bibel wurde Jesus kurz nach seiner Geburt in die Stadt gebracht, hier hat er Opfertierhändler und Geldwechsler aus dem Tempel vertrieben, hier fand das Abendmahl statt. Gleich außerhalb der Stadt soll Jesus gekreuzigt und begraben worden sein. Der wahrscheinliche Ort liegt heute innerhalb der Stadtmauern.

 

Der Felsendom

Im Gegensatz zur Bibel und dem Tanach erwähnt der Koran Jerusalem kein einziges Mal namentlich, aber die Stadt gilt traditionell als die drittheiligste des Islam. Bevor in Richtung der Kaaba in Mekka gebetet wurde, war für etwa ein Jahr Jerusalem Richtungsort des Gebetes.[12] Moslems glauben darüber hinaus, dass Mohammed in einer nächtlichen Reise auf dem Ross Buraq zur „am weitesten entfernten Moschee“ gereist ist, wo er in den Himmel aufstieg, um sich mit anderen Propheten des Islam zu treffen. Der Ort dieser Moschee wird nicht explizit genannt, doch traditionell mit der al-Aqsa-Moschee identifiziert.[13][14]

 

Rekonstruktion des herodianischen Tempels

Konfessionen

In Jerusalem findet sich eine große Anzahl von Religionen und religiösen Bewegungen. Mission ist ihnen in ganzIsrael verboten.

Die wichtigste religiöse Gruppierung in der Stadt ist das Judentum. Stärker als in anderen Landesteilen Israels sind die ultraorthodoxen nicht-zionistischen Juden und die orthodoxen zionistischen Juden in der Stadt vertreten.

Vom Islam sind SunnitenSchiitenAlawiten und Drusen vertreten. Zum Christentum in Jerusalem gehörenGriechisch-OrthodoxeRussisch-OrthodoxeGeorgisch-OrthodoxeSyrisch-OrthodoxeGriechische KatholikenAltkatholikenRömische KatholikenLutheranerAnglikanerArmenier und Äthiopier.

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Museen

In Jerusalem befindet sich die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem.

Historische Museen sind unter anderem das Israel Museum mit dem Schrein des Buches und dem Model Jerusalems zur Zeit Jesu [15], das Bible Lands Museum, das Tower of David-Museum of the History of Jerusalem[16], das Ariel-Center for Jerusalem in the First Temple Period[17] und das Rockefeller Museum für Archäologie.

Museen, die Ausgrabungen aus der biblischen Antike zeigen, sind das Burnt House[18], die City of David[19](ältester Teil Jerusalems, auch vorisraelitisch), der Jerusalem Archaelogical Park[20] (südlich der Altstadtmauer beim Dung Gate), The Israelite Tower[21], das Wohl-Museum[22].

Weiterhin gibt es das Naturhistorische Museum und das Bazabel-Museum für Volkskunst und Folklore. Museen zur Geschichte und Vorgeschichte des modernen Staates Israel sind das Ammunition Hill Museum[23], das Herzl Museum[24], das Old City-Museum[25], das Menachem Begin Heritage Center[26], die Mount Zion Cable Car[27].

Bauwerke

 

Historischer jüdischer Friedhof von Jerusalem

Die Altstadt von Jerusalem wurde 1981 von der UNESCO zum Weltkulturerbe der Menschheit erklärt. Sie ist seit dem Mittelalter in das armenische Viertel im Südwesten, das christliche im Nordwesten, das jüdische im Südosten und das muslimische Viertel im Nordosten unterteilt und wird von einer aus dem 16. Jahrhundert stammenden, fast vollständig erhaltenen Stadtmauer umgeben. Die Mauer der alten Stadt Davids umfasst mehrere Türme sowie ursprünglich sieben Tore, davon drei große und vier kleine, und wurde 1889 durch ein achtes ergänzt.

Im christlichen Teil der Altstadt befindet sich das Neue Tor, an der Grenze zum armenischen Teil das Jaffator und zum muslimischen Teil das Damaskustor. In den muslimischen Teil führen dasHerodestorGoldene Tor (durch die Türken versiegelt) und das Stephanstor. Im jüdischen Teil steht das Zionstor und das Dungtor. Südwestlich davon erhebt sich der Berg Zion mit dem mutmaßlichen Grab König Davids. Östlich der Altstadt liegt der Ölberg mit dem Garten Getsemani. Wichtige christliche Stätten sind die auf den Grundmauern einer Basilika aus dem 4. Jahrhundert erbaute Grabeskirche und die Via Dolorosa.

Die circa 400 Meter lange, von den Juden „Westliche Mauer“ genannte Klagemauer ist ein Teil der Stützmauer des Plateaus, auf dem der große Tempel Herodes des Großen stand. Wichtige muslimische Bauwerke auf dem Tempelberg sind heute der Felsendom und die Al-Aqsa-Moschee.

Weitere bedeutende Bauwerke in der Altstadt oder ihrer unmittelbaren Umgebung sind der Cardo (Säulengang), die Dormitio-Kirche, die Erlöserkirche, die vier sephardischen Synagogen und die Zitadelle.

Nahe der südwestlichen Ecke der Altstadtmauer befindet sich an der Fußgängerbrücke ein berühmtes Friedensdenkmal, auf dem der bekannte biblische Satz aus Jesaja 2,4 („Schwerter zu Pflugscharen“) modern dargestellt wird.[28]

Im Norden, Westen und Süden der Altstadt breitet sich die Neustadt von Jerusalem aus, die sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt hat. Sie erstreckt sich über die umliegenden Hügel und weiter bis in das wüstenhafte Umland der Stadt. Die modernen Wohn- und Geschäftsgebäude und die breiten Straßen der Neustadt bilden einen starken Kontrast zu den ärmlichen Behausungen und engen Gassen der Altstadt. In der Neustadt befinden sich die Knesset (das israelische Parlament), die Synagoge des Hadassa-Klinikums mit ihren Chagallfenstern und zahlreiche bedeutende staatliche Einrichtungen. Dazu gehören unter anderem das Finanzministerium, das Außenministerium, das Innenministerium und der Sitz des Premierministers.

Wirtschaft und Infrastruktur

Das wirtschaftliche Leben der Stadt Jerusalem basiert zum überwiegenden Teil auf ihrer religiösen und kulturellen Bedeutung sowie auf ihrer Funktion als Verwaltungszentrum. Der Dienstleistungssektor ist dementsprechend gut ausgebaut. Viele Bewohner von Jerusalem sind in der staatlichen und städtischen Verwaltung sowie im Bildungswesen beschäftigt.

Eine eher untergeordnete Rolle spielt demgegenüber das produzierende Gewerbe. Die Industriebetriebe der Stadt stellen unter anderem Glas-, Metall– und Lederwaren, Druckerzeugnisse, Schuhe und Zigaretten her. Die Produktionsbetriebe sind vorwiegend in den äußeren Bezirken von Jerusalem angesiedelt. Der Tourismus ist jedoch der mit Abstand bedeutendste Wirtschaftsfaktor, da die Altstadt ein bedeutendes Ziel für Touristen ist.

Die Entwicklung des jüdisch-israelischen und des arabisch-palästinensischen Teils der Stadt ist sehr unterschiedlich: Obwohl die Palästinenser ein Drittel der Stadtbevölkerung stellen, kommt ihnen nur ein Zehntel der Ausgaben für öffentliche Dienstleistungen zugute, was sich erheblich auf die städtische Infrastruktur auswirkt.[29]

Verkehr

 

IC3-Dreiwagendieseltriebzug-Garnitur im Bahnhof Jerusalem-Malha nach Tel Aviv

Wegen der Berglage liegt Jerusalem abseits der wichtigsten Verkehrsströme Israels, die vor allem in der Küstenebene und dem dahinter liegenden Landstreifen fließen. Innerhalb der Stadt muss sich die Straßenführung der hügeligen Landschaft anpassen.

Der öffentliche Verkehr von Bussen und Eisenbahn ruht von Freitagmittag bis Samstagabend auf Grund des Schabbat.

Von und nach Jerusalem

Die zentrale Straßenverbindung Jerusalems ist die Autobahn nach Tel Aviv, in andere Richtungen bestehen Landstraßen. Besonders bemerkenswert ist die Straße an das Tote Meer, die auf ihrem Weg durch das Westjordanland 1200 Höhenmeter abfällt.

Die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln erfolgt in erster Linie durch die staatliche Busgesellschaft Egged.

 

Bahnhofsschild: Jerusalem-Malha

Die Eisenbahn hat nur eine untergeordnete Bedeutung. Seit April 2005 verkehren immerhin nach siebenjähriger Unterbrechung wieder Züge bis Jerusalem. Die historische, gebirgige Bahnstrecke nach Tel Aviv über Bet Schemesch wurde seit Juli 1998 saniert. Die Fahrzeiten sind im Vergleich zur Straße nicht attraktiv, die beiden noch betriebenen Jerusalemer Bahnhöfe (Biblischer Zoound Malcha) liegen mehrere Kilometer vom Stadtzentrum entfernt im Süden der Stadt. Der historische, stadtnähere ehemalige Endbahnhof der Strecke, Jerusalem, wird nicht mehr angefahren. Der Bahnhof Jerusalem Malcha ist die Endstation der Strecke und erhielt eine neue, sehr moderne Anlage. Eine Hochgeschwindigkeitstrasse zwischen Jerusalem und Tel Aviv ist im Bau. Der letzte Abschnitt der Strecke bis Jerusalem wird voraussichtlich 2012 fertiggestellt. Der Endbahnhof soll unterirdisch in der Nähe des zentralen Busbahnhofs entstehen.

Nördlich der Stadt befindet sich ein kleiner Flughafen, der nur Ziel innerisraelischer Flugverbindungen war und seit 2001 geschlossen ist. Der internationale Flughafen für Jerusalem ist derFlughafen Ben Gurion.

Innerstädtischer Verkehr

Eine der bekanntesten innerstädtischen Straßen ist die Jaffastraße, die vom Jaffator zum zentralen Busbahnhof führt. Sie ist eine wichtige Einkaufsstraße und war bereits mehrfach Schauplatz blutiger Attentate.

Eine erste Straßenbahnlinie mit einer Länge von 13,8 km ist derzeit im Bau. Erste Versuchsfahrten haben am 24. Februar 2010 und in den darauf folgenden Tagen stattgefunden.[30] Die Strecke sollte 2010 in Betrieb gehen. Der Termin wurde inzwischen wegen des schleppenden Baufortschritts (die Oberleitung fehlt auf weiten Strecken noch) auf April 2011 verschoben.[31]

Bildung

Zu den bekannten Bildungseinrichtungen in der Stadt gehören die 1918 eröffnete Hebräische Universität von Jerusalem, die 1959 gegründete Israelische Akademie, das Planetarium, das Zionistische Zentralarchiv, die Gulbenkian-Bibliothek und die Jüdische National- und Universitätsbibliothek. In der Stadt befinden sich zahlreiche religiöse Lehr- und Forschungsinstitute. Dazu gehören unter anderem die 1890 eröffnete École Biblique et École Archéologique Française, das 1927 gegründete Päpstliche Bibelinstitut und das 1963 eröffnete Institut der Jüdischen Religion.

Bekannte Söhne und Töchter der Stadt

Städtepartnerschaften

Siehe auch

Portal:Jerusalem – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Jerusalem

Literatur

  • Christoph Gerhard: Marco Polo Reiseführer Jerusalem. Mairs Geographischer Verlag, Stuttgart 2001. ISBN 3-89525-928-4
  • Helmut Hubel, Tilman Seidensticker (Hrsg.): Jerusalem im Widerstreit politischer und religiöser Interessen. Die „Heilige Stadt“ aus interdisziplinärer Sicht. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2004. ISBN 3-631-51057-8
  • Gerhard KonzelmannJerusalem. 4000 Jahre Kampf um eine heilige Stadt. Hoffmann und Campe, Hamburg 1984. ISBN 3-455-08660-8
  • Hans Köchler (Hrsg.): The Legal Aspects of the Palestine Problem With Special Regard to the Question of Jerusalem. Wilhelm Braumüller, Wien 1981. ISBN 3-7003-0278-9

Weblinks

Commons: Jerusalem – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Jerusalem – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Population figures – End of 2008
  2. Weather Channel
  3. Werner H. Schmidt: Alttestamentlicher Glaube in seiner Geschichte, 4. Auflage 1982, S. 216
  4. siehe Fritz Rienecker: Lexikon zur Bibel. Brockhaus, Wuppertal 2001, S. 683. ISBN 3-417-36076-5
  5. Elliott S. Horowitz, Reckless Rites, 2006
  6. Benny Morris: Righteous Victims – A History of the Zionist – Arab Conflict, 1881 – 2001. Vintage Books, New York, 2001, S. 6.
  7. Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen sind im Unterschied zu Resolutionen des Sicherheitsrats nicht verbindlich.
  8. Presseaussendung Presseaussendung, The Central Bureau of Statistics, May 2006, PDF
  9. David E. Guinn: Protecting Jerusalem’s Holy Sites. A Strategy for Negotiating a Sacred Peace. Cambridge University Press, Cambridge 2006, 142. ISBN 0-521-86662-6
  10. The Kotel. What is the Western Wall?
  11. Schechter Institute of Jewish Studies
  12. Anthony H. Cordesman: The Final Settlement Issues. Asymmetric Values & Asymmetric Warfare. in: The Israeli-Palestinian War. Escalating to Nowhere. Praeger Security International, Washington 2005, 62. ISBN 0-275-98758-2
  13. Francis E. Peters: Muhammad the Prophet of God. in: The Monotheists. The Peoples of God. University Press, Princeton NJ 2003, 95-96. ISBN 0-691-11460-9
  14. Sahih Bukhari: Compendium of Muslim Texts. University of Southern California. Aufgerufen am 3. November 2007. (aus einer englischen Übersetzung von Sahih Bukhari, Volume IX, Book 93, Number 608)
  15. Model Jerusalems zur Zeit Jesu
  16. Tower of David-Museum of the History of Jerusalem
  17. Ariel-Center for Jerusalem in the First Temple Period
  18. Burnt House
  19. City of David
  20. Jerusalem Archaelogical Park
  21. The Israelite Tower
  22. Herodian Quater (Wohl-Museum)
  23. Ammunition Hill Museum
  24. Herzl Museum
  25. The Last Battle for the Old City-Museum
  26. The Menachem Begin Heritage Center
  27. Mount Zion Cable Car
  28. Der Online-Israelreiseführer mit besonderer Berücksichtigung der biblisch-religiösen Thematik
  29. Juliane von Mittelstadt: Ein privater Dschihad. In: Der Spiegel 30, 21. Juli 2008, S. 107.
  30. HaRakevet Nr. 88 (2010), S. 9f; Eisenbahn-Revue International 5/2010, S. 244, gaz: Erste Fahrten bei der Jerusalemer Stadtbahn.
  31. Eisenbahn-Revue International 5/2010, S. 244, gaz: Erste Fahrten bei der Jerusalemer Stadtbahn.

Was gutes zum hören

Veröffentlicht: 2010/10/24 in Nicht kategorisiert

Die Kopfbedeckung für Messianische

Der WAHRE Yahschua

Amidah

Anweisung für das Hebräische Gebet

Brit Milah

DIE SEGNUNGEN IM ÜBERBLICK

Die Zweiundzwanzig Grundsteine der Schöpfung –

KopieEin Tallit des LICHTS!

„Die Juden können die Kreuzigung Jesu nicht veranlaßt haben“

Von Tora und Talmud lernen:

Ein Anwalt bietet an der Universität Frankfurt Seminare zur Geschichte des jüdischen Rechts an

Die Geschichte klingt absurd: Eine Frau steht auf dem Dach eines Hauses, ihr Angetrauter mehrere Meter unter ihr auf dem Hof. Er wirft ihr ein Stück Papier zu. Es ist die Scheidungsurkunde, ohne die eine Ehe zwischen Juden nicht aufgelöst werden kann. Doch während das Dokument noch durch die Luft segelt, wird es vom Feuer erfaßt und verbrennt. Ist die Ehe nun geschieden? Das ist die große Frage. Eine Spielerei verquer denkender Juristenhirne? Das könnte meinen, wer die Geschichte unvoreingenommen liest.   „Tatsächlich stammt sie  aus dem Talmud, diesem bedeutenden  jüdischen Geschichts- und Gesetzeswerk, das während der ersten fünf Jahrhunderte nach Christus entstand“, sagt Gabriel Miller und schmunzelt. Der Mann muß es wissen, schließlich kennt er sich aus im jüdischen Recht. Er hat in Tel Aviv die Jurisprudenz studiert, kam dann zur Promotion nach Deutschland.  In Frankfurt ist er hängen geblieben und hat sich in der Main-Metropole als Rechtsanwalt niedergelassen. Ganz hinter sich gelassen hat er seine Heimat Israel jedoch nicht. Auch in Tel Aviv betreibt er eine Kanzlei und pendelt zwischen den beiden Städten hin und her.

Als Sohn eines Rabbiners ist Miller beschlagen in der Historie seines Volkes, die eng mit der jüdischen Rechtsgeschichte verwoben ist. Dieses Wissen weiterzugeben, ist ihm ein Bedürfnis. Deshalb bietet er seit 1996 am juristischen Fachbereich der Universität Frankfurt  Seminare zum jüdischen Recht an. Sein Fach  gehört zu den Exoten und wird auf der Homepage des Fachbereichs Jura als das „besondere Angebot“ erwähnt. Teilnehmen können neben Juristen auch Studenten anderer Fakultäten.

Mit  heiteren Episoden aus dem Talmud will Miller das Interesse an den Wurzeln des  jüdischen Rechts wecken. „Wer in die Welt des Talmud eintaucht, wird erstaunt sein. Die Probleme, die die Menschen damals berührten, sind auch heute noch aktuell“, ist Miller überzeugt. „So setzt sich der Talmud sehr intensiv mit der Rolle der Frau in der Gesellschaft auseinander“, sagt Miller. Indes  sei der  Talmud wesentlich mehr  als nur ein  Gesetzbuch. Er  spiegele vielmehr die gesamte jüdische Kultur, Wissenschaft und Geschichte bis zum fünften Jahrhundert nach Christus wider. „Die Gelehrten in der damaligen Zeit wußten schon, daß die Erde eine Kugel ist“, erzählt Miller begeistert. Das große Werk diene der Aufklärung über das Judentum. Dabei packe der Talmud auch „heiße Eisen“ an. Als Beispiel nennt Miller die brisante Problematik der  Kollektivschuld und Kollektivverantwortung. Das Thema, das nicht nur die jüngste deutsche Geschichte erheblich belastet habe, sondern auch in der gegenwärtigen israelischen Gesellschaft diskutiert werde, habe schon vor über 1500 Jahren  die Gelehrten umgetrieben. Die ethischen Gebote und Vorschriften des Talmud, die auf Moses zurückgehen, seien fest im kollektiven Bewußtsein der Juden verankert. „Sie spielen   eine wichtige Rolle im Leben und in der Geschichte Israels“, erzählt Miller.

Aber auch zivil- und strafrechtliche Fragen würden behandelt. So philosphiere der Talmud beispielsweise seitenlang über die Voraussetzungen des Funds. Auch die verschiedenen Arten von Sanktionen würden besprochen. So erführen die Studenten beispielsweise, wie der Diebstahl im Buch Exodus – dem zweiten Buch Moses – geahndet wurde. Im Seminar stellen sie dem alten jüdischen Recht die  Regelungen des heutigen Strafgesetzbuches gegenüber. Überhaupt böten die fünf Bücher Moses – Pantateuch genannt – viel Stoff für rechtsvergleichende Studien. „Sie sind die eigentliche Quelle des jüdischen  Rechts. Denn sie enthalten die Gesetze, die Moses auf dem Berg Sinai von Gott empfangen hat“, erklärt Miller. Sie seien die Grundlage für den Bund Gottes mit Israel. Die Juden sehen die fünf Bücher als Einheit und bezeichnen sie als Tora.

„Nach einem Streifzug durch das jüdische Recht von der Zeit vor der Kodifizierung über die Gesetze Moses und den Talmud bis zu den neueren Gesetzesinterpretationen hat der Student einen Überblick über die jüdische Rechtsgeschichte“,  ist Miller überzeugt. Der Blick für Zusammenhänge sei geschärft. So könnte sich die Leidensgeschichte Christi so, wie sie überliefert ist, nicht ereignet haben. Es gebe zu viele Ungereimtheiten, die nicht ins jüdische Recht der damaligen Zeit paßten. Auch die Kreuzigung sei im Judentum zur Zeit von Jesus  eine völlig ungebräuchliche Form der Todesstrafe gewesen. „Die Juden können die Kreuzigung Jesus nicht veranlaßt haben“, meint Miller und spielt auf den Kino-Film „Die Passion Christi“ an, der augenblicklich äußerst emotional diskutiert wird. Auch deshalb macht sich Miller für die jüdische Rechtsgeschichte stark. Denn wer sie und ihre Hintergründe  kenne, der sei vor Manipulationen durch die Medien gefeit.

KERSTIN LIESEM

Das nächste Seminar zum jüdischen Recht am juristischen Fachbereich der Universität Frankfurt findet im kommenden Sommersemester jeden Dienstag von 16 bis 18 Uhr in der Neuen Mensa, Raum 123 statt. Die erste Sitzung ist am   20. April. Studierende aller Fachbereiche können teilnehmen. Nähere Informationen zum jüdischen Recht und Gabriel Miller gibt es unter www.juedisches-recht.de

Nur weil sie Juden waren?!

Veröffentlicht: 2010/09/22 in Nicht kategorisiert

Judentum

Veröffentlicht: 2010/09/22 in Nicht kategorisiert

Judentum

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der Davidstern(hebräisch magen davidSchild Davids) gilt als das neuzeitliche Symbol des Judentums und des jüdischen Volkes

Unter Judentum versteht man die Gesamtheit aus KulturGeschichteReligion und Tradition des sich selbst als Volk Israel (hebr. am jisrael, bnei jisrael) bezeichnenden jüdischen Volkes. Mit dem Begriff können auch gezielt die jüdische Religion oder, als Gruppe, die sowohl ein Volk als auch eine Glaubensgemeinschaft darstellenden Juden (hebr. jehudim) angesprochen werden.

Das Judentum wird aus historischen Gründen häufig zu den Weltreligionen gerechnet, wenngleich ihm nur circa 13,5 Millionen Menschen angehören (Vergleich: Christentum circa 2,3 Milliarden, Islam circa 1,4 Milliarden). Das Christentum und der Islam berufen sich vielfach auf die Überlieferungen des Judentums. Das Judentum war hinsichtlich seiner Verbreitung – je nach religionswissenschaftlicher Definition – die erste Weltreligion. Zum Ende der Antike fanden sich jüdische Gemeinden weit über den römisch-hellenistischen Raum hinaus verstreut bis nach ChinaIndien und Afrika.

Inhaltsverzeichnis

Begriffsgeschichte

Die deutsche Bezeichnung „Juden“ geht über den lateinischen Ausdruck judaeus, dann den griechischen Ausdruck ioudaios und aramäische und persische Entsprechungen zurück auf das hebräische Wort yehudi. Dieses bezeichnete zunächst die Angehörigen des Stammes Juda und die dessen Territorium Bewohnenden. Unter der Herrschaft Davids in Hebron wird dieses Gebiet „Königreich Juda“ genannt (2 Sam 5,3). Unter Rehabeam wird dieses Königreich aufgespalten. Das südlichere Teilgebiet wird Juda genannt (das nördlichere Teilgebiet „Israel“). Der Ausdruck „Judäer“ wird wiederum sowohl für Stammesangehörige wie auch sonstige Bewohner gebraucht, so etwa auch für die Angehörigen des Stammes Benjamin (1 Kön 12, 16-21). Das Nordreich besteht nur bis 722 v. Danach wird „yehudi“ und dessen Entsprechungen insb. im Persischen unterschiedslos gebraucht, insb. auch als Bezeichnung für die Angehörigen einer spezifischen Religion (mityahadim, vgl. Esth 8,17); religiöse, politische und nationale Aspekte sind terminologisch nicht differenzierbar.[1] Dieser Sprachgebrauch ist – manifest u.a. auch später in neutestamentlichen Texten – vorwiegend Fremdbezeichnung; als Selbstbezeichnung überwiegt yisrael, und zwar vermutlich, um die nationale Identität durch Erinnerung der Frühgeschichte zu stabilisieren.[2]

Nach halachischem Recht gilt als Jude, wer Kind einer jüdischen Mutter ist[3] oder regelgerecht zum Judentum konvertiert ist (Gijur). Insb. seit Mitte des 20. Jahrhunderts wird diese Definition vielfach nicht mehr akzeptiert, unter anderem aus folgenden Gründen:[4]

  • Die Konversion erfordert das Bekenntnis zu den Grundlagen jüdischen Glaubens und zur Einhaltung seiner Vorschriften.[5] Die Mehrheit der als Juden Geborenen befolgt dies aber nicht.
  • Von Nationalsozialisten wurden hunderttausende Menschen als Juden betrachtet und ermordet, die nach halachischem Recht nicht als Juden gegolten hätten.
  • Viele Bewohner des heutigen Staates Israel werden im Geiste eines jüdischen Nationalbewusstseins erzogen und haben beispielsweise für Israel Militärdienst zu leisten, gelten aber nach halachischer Definition nicht als Juden.

In Personalausweisen ist von le’om die Rede, was u.a. mit „Nationalität“ wiedergegeben werden kann. 1958 spitzte sich eine Kontroverse im israelischen Kabinett unter Premierminister David Ben-Gurion zu, wie dieser Terminus zu handhaben sei: im Sinne einer Identifikation mit dem Staat Israel oder im Sinne des halachischen Rechts. Ben-Gurion ließ Gutachten von jüdischen Gelehrten einholen, deren Mehrheit sich dafür aussprach, der halachischen Definition zu folgen.[6] Der oberste Gerichtshof Israels schlug dann 1968 anlässlich einer Klage von Benjamin Shalit, Chefpsychologe der israelischen Armee, der Staatsregierung vor, das betreffende Gesetz zu ändern. Nachdem die Regierung dem nicht folgte, entschied das Gericht am 23. Januar 1970 mit fünf von neun Stimmen, dass in den Pass aufzunehmen sei, was glaubwürdig vom Antragssteller angegeben werden. Einige der Richter notierten, dass le’om nicht-religiös definierbar sei. Dieses Urteil hätte darüber hinaus keine weiteren Konsequenzen gehabt, z.B. für Eheschließungen vor rabbinischen Gerichten. Nach massiven Protesten wurde das Gesetz allerdings wieder im Sinne der halachischen Definition verändert; es wurden aber auch Konversionen vor nicht orthodoxen Rabbinern zugelassen.[7]

Ein Jude nach der vorerwähnten halachischen Definition könnte auch einer anderen Religion folgen. Derartige Fälle wurden allerdings über Jahrhunderte hinweg kontrovers debattiert,[8] auch im Zusammenhang mit „Apostaten“.[9]

Ein weiterer Problemfall ist die Konversion aus nicht-altruistischen Beweggründen, etwa zum Zwecke einer gültigen Eheschließung. Nach halachischem Recht sollte dies ungültig sein. Es wurde aber auch vorgeschlagen, Konversionen gelten zu lassen, bei welchen nur kein Wissen von den jüdischen Vorschriften bestand, diese aber nicht explizit abgelehnt wurden.[10]

Jüdische Geschichte

Hauptartikel: Jüdische Geschichte

Nach der Tora, den fünf Büchern Mose, beginnt die Geschichte des jüdischen Volkes mit dem Bund, den Gott mit Abraham schließt (Gen 12). Die jüdische Tradition sieht Abraham als den Begründer des Monotheismus, des Glaubens an einen einzigen, unsichtbaren Gott. Diesen Bund setzt Gott mit Abrahams Sohn Isaak und dessen Sohn Jakob fort, der seit dem Ringkampf am östlichen Ufer des Flusses Jabbok (1. Mose 32) Jisrael genannt wurde.

Jakob hatte zwölf Söhne, die als Stammväter der Zwölf Stämme Israels (Israeliten) gelten. Diese ziehen von Kanaan, dem heutigen Palästina bzw. Israel nach Ägypten, wo ihre Nachfahren vom Pharao versklavt werden. Aus dieser Sklaverei werden die von Mosche (Moses) angeführten Hebräer durch Gott befreit, der ihnen am Berg Sinai die, schriftliche und mündliche, Tora offenbart. Obwohl das jüdische Volk an dieser Aufgabe häufig scheitert, was die späterenPropheten immer wieder beklagen, bleibt der Bund mit Gott ungebrochen.

Bereits in hellenistischer Zeit fanden Auswanderungsbewegungen aus Palästina statt. Das so genannte Hellenistische Judentum entstand. Spätestens seit der Zerstörung des jüdischen Staates im 1. Jahrhundert nach Christus und derZerstörung Jerusalems unter Hadrian (der Jerusalem in Aelia Capitolina umbenannte) zerstreuten sich die Juden als regional greifbares und geschlossenes Volk endgültig. Die große Mehrheit siedelte innerhalb des Römischen Reiches. In der Spätantike und dem frühen Mittelalter verschob sich der Schwerpunkt nach Babylonien, damals Teil des Reiches der Sassaniden.

Die übrigen Anhänger des Judentums verteilten sich im Hochmittelalter auch in andere Teile Europas, im Spätmittelalter, im Zuge der Pestpogrome und der Ausweisung beispielsweise aus Frankreich, besonders nach Osteuropa, ferner in die islamische Welt und im Anschluss, Vertreibung aus Spanien 1492, wieder ins heutige Palästina sowie auch in die Neue Welt. Juden wurden oft verfolgt und ghettoisiert, konnten sich stellenweise aber auch unter Beibehaltung vonGlaube und Tradition als integraler Bestandteil der lokalen Gesellschaften etablieren.

Jüdische Religion

Hauptartikel: Jüdische Religion

Eine Torarolle

Die jüdische religiöse Tradition ist eine monotheistische Religion, deren Gott auch als der Gott Jisraels bezeichnet wird. Dieser Gott wird im orthodoxen Verständnis als Schöpfer des Universumsangesehen, der auch heute noch aktiv in der Welt handelt (Theismus), siehe: lebendiger Gott, als Begriff des Christentums. Einige wenige jüdische Philosophen des Mittelalters (Gersonides,Abraham ibn Daud), beeinflusst durch die Kabbala und Neu-Aristotelismus, und der NeuzeitHarold Kushner (insbesondere nach dem Holocaust) tendieren allerdings zu einer eher distanzierten Positionierung dieses Gottes (Deismus), der sich von seiner Schöpfung entfernt habe.

Die jüdische Religion basiert auf den religiösen Überlieferungen des jüdischen Volkes. Diese Überlieferungen teilen sich auf in eine schriftliche Lehre, die in der Tora niedergelegt ist (schriftlicheTora), und eine mündliche Lehre, auch: mündliche Tora, die im Talmud diskutiert wird. Dieser ist historisch gesehen in Mischna und Gemara aufgeteilt. Auf beiden beruht die Halacha, das jüdische Gesetz. Die Halacha beruht aber auch auf rabbinischen Gesetzgebungen und Responsen, die im Laufe der Zeit gefällt wurden. Im Laufe der Jahrhunderte wurden zahlreiche Versuche unternommen, die Halacha zusammenzufassen; eines der bekanntesten Beispiele dafür ist der Schulchan Aruch.

Glaube

Der Begriff Jüdischer Glaube bezieht sich auf die religiösen Traditionen des Judentums in der jüngsten Geschichte, in der biblischen und vorbiblischen Zeit und in der Vielfalt seiner Strömungen. Das diese religiösen Traditionen tragende, bewahrende und lehrende Judentum der Gegenwart wird rabbinisch genannt. Häufig wird im Sinne dieses Begriffs von den jüdischen Glaubensprinzipien gesprochen, die im angelsächsischen Raum Jewish principles of faith genannt werden. Diese sind jedoch im Unterschied zum Christentum nicht allgemeingültig definiert und somit nicht dogmatisch. Auch der Glaube an die Existenz Gottes ist im Judentum, im Gegensatz zum Beispiel zum islamischenGlaubensbekenntnis, nicht dogmatisch. Das Judentum kennt keinen Katechismus.

Jüdische Glaubensprinzipien

In der Geschichte des Judentums entstanden eine Reihe grundlegender Glaubensprinzipien, deren Einhaltung von Juden mehr oder weniger erwartet wird, um in Einklang mit der jüdischen religiösen Gemeinschaft und ihrem Glauben zu sein, deren genaue Anzahl jedoch nicht feststeht und immer noch diskutiert wird. Die Strenge und der Umfang dieser Forderungen variieren unter den verschiedenen jüdischen Gemeinden. Siehe Strömungen des Judentums, insbesondereOrthodoxes JudentumLiberales Judentum und Rekonstruktionismus. Rabbiner Josef Albo zählt im Sefer ha-Ikkarim drei Glaubensprinzipien.

Maimonides hat sowohl in halachischen wie in religionsphilosophischen Werken einige Grundprinzipien des jüdischen Glaubens formuliert, darunter der Glaube an Gott als höchste und erste Ursache und Schöpfer von Allem, an Gottes Einheit, Unkörperlichkeit u.a.[11] Diese Kodifikation wurde breit rezipiert. Ähnliche Hervorhebungen treffen andere Autoren der jüdischen Scholastik vor und nach Maimonides.

Auch wird darauf verwiesen, dass ein ganzes, gerade gewordenes Volk, Zeuge Gottes bei der Schneidung des Bundes am Berg Sinai war (im Christentum: etwa ein Dutzend, im Islam nur Mohammed, auch bei den Mormonen nur ein Mensch, deren Begründer).

Im Gegensatz zum Christentum und zum Islam hat das Judentum bis auf eine kurze Ausnahme in der antiken Geschichte auf Missionierung Andersgläubiger verzichtet. Das Judentum betrachtet es nicht als eine Sünde oder zum Beispiel als Ausschlusskriterium für die Empfängnis des Heils durch Gott (siehe: Auferstehung), wenn Nicht-Juden und andere Völker ihre abweichenden Religionen bzw. Glaubensvorstellungen pflegen. Das Judentum ist der Ansicht, dass auch Angehörige anderer Religionen Anteil am Leben nach dem Tode haben können, wenn sie ein ethisches Leben geführt haben. Siehe hierzu Noachidische Gebote.

Religiöse Führung

Jüdische Gemeinden werden geistlich und rechtlich von einem Rabbiner geleitet. Sephardische Juden sowie die Karäer bezeichnen ihren geistlichen Leiter auch als Chacham (Weiser). Bei jemenitischen Juden ist der Begriff Mori (mein Lehrer) gebräuchlich. Die Gottesdienste werden im Allgemeinen von einem Kantor (Chasan) oder allgemeiner gesagt von einem Vorbeter geleitet; zu ihrer Durchführung wird ein Quorum bzw. (hebräisch) Minjan, d. h. die Versammlung von zehn religiös volljährigen jüdischen Personen (in der Orthodoxie nur Männer), benötigt. Die allgemeine, weltliche Leitung einer jüdischen Gemeinde hingegen liegt bei einem von den Gemeindemitgliedern zu wählenden Gemeindevorstand.

Religiöse Strömungen des Judentums der Gegenwart

In der Gegenwart gibt es verschiedene Strömungen innerhalb des religiösen Judentums. Die Gruppierungen unterscheiden sich nicht in erster Linie, aber auch in Hinblick auf Gottesvorstellungen und Glauben. Es werden orthodoxe und nicht-orthodoxe jüdische Strömungen unterschieden. In einem weiteren Sinn können die nicht-orthodox Strömungen auch als progressivreformiert oder liberal (wobei hier liberal nicht vom politischen Liberalismus abgeleitet ist) bezeichnet werden. Eine Mittelstellung zwischen Orthodoxie und dem liberalen Judentum nimmt das im 19. Jahrhundert sich formierende konservative Judentum ein.

Einer der grundlegenden Unterschiede zwischen orthodoxem Judentum und den nicht-orthodoxen Strömungen ist das Verständnis der Offenbarung am Berg Sinai, wobei die Orthodoxie vom buchstäblichen Sinn der von Mosesempfangenen Tora als unbedingt gültiger Weisung ausgeht. Das nicht-orthodoxe Judentum versteht diese Offenbarung nicht als absolut, sondern als einen fortdauernden Prozess des Dialoges Gottes mit seinem Volk, in der Zeit und in den Kulturen. Im Kontext dieser historisch-kritischen Auslegung der Offenbarung entstanden alle nicht-orthodoxen Strömungen des Judentums. Da sie alle die Entwicklung betonen, gehören sie zum progressiven Judentum im weitesten Sinne. Im engeren Sinne gehören zum progressiven Judentum alle Gruppen des Reform-Judentums, die sich im Verband Weltunion für progressives Judentum zusammengeschlossen haben.

Alle religiösen jüdischen Strömungen der Gegenwart haben ihren Ausgang in den Impulsen der Geistesgeschichte vor allem Deutschlands und Europas ab Ende des 18. Jahrhunderts. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts hat sich der Schwerpunkt der wissenschaftlichen und theologischen Entwicklung des Judentums in die USA verlagert. Aus Deutschland sind die Beiträge zur Entwicklung jüdischen Denkens und Geistesleben nach der Shoa unbedeutend. Langsam entwickelt sich dieses aber zunehmend unter der Zuwanderung jüdischer Menschen aus der ehemaligen UdSSR, aus der Diaspora Osteuropas und Asiens.

Hauptströmungen des Judentums der Gegenwart:

Andere, kleinere religiöse Strömungen des Judentums der Gegenwart:

Andere laizistische Strömungen des Judentums der Gegenwart:

Unter Einfluss einiger Freikirchen entstand in den USA die Gruppe der so genannten messianischen Juden (Eigenbezeichnung) oder modernen Judenchristen, die sich zum Christentum bekennt. Meist sind dies konvertierte Judenevangelikaler Prägung, die an ihrer jüdischen Identität festhalten sowie ein paar jüdische Traditionen pflegen und hauptsächlich in den USA zu finden sind. „Messianisches“ Judentum ist nach dem Verständnis aller anderen Strömungen des Judentums (orthodox, konservativ, liberal, reformiert) im religiösen Sinn kein Judentum, da seine Interpretation der Tradition christlich ist. Hier unterscheiden sich Selbstwahrnehmung und Außenwahrnehmung.

Aktueller Kontext

Das Judentum ist seit Jahrtausenden häufig religiösen, ideologischen und politischen Anfeindungen und dabei Pogromen und Verfolgungen ausgesetzt. Einmalig in der Geschichte ist dagegen die Shoa, der Versuch der planmäßigen und quasi-industriellen Ausrottung des jüdischen Volkes durch das nationalsozialistische Deutschland.

1934 wurden 17 Millionen jüdische Menschen auf der Welt gezählt. Sechs Millionen davon, mehr als ein Drittel, fielen der Shoa zum Opfer. Dies beschleunigte nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs die Umsetzung derzionistischen Bestrebungen und führte 1948 zur Gründung und internationalen Anerkennung des Staates Israel als jüdische Heimstätte.

Der heutige Staat Israel ist von der Verfassung her eine säkulare Demokratie nach westlichem Vorbild, seine Innenpolitik ist jedoch in einigen Bereichen weiterhin stark religiös geprägt. So ist eine bürgerliche Heirat in Israel nach wie vor nicht möglich, da das Familienrecht den jeweiligen Religionsgruppen unterstellt ist. Dies kann zum Beispiel bei einer Scheidung zu Problemen für Frauen führen, wenn sich der Ehemann weigert, der Frau den Scheidebrief (Get) zu überreichen. Gegen einen Ehemann, der eine Scheidung dauerhaft grundlos verhindert, kann zwar vom Rabbinatsgericht eine Erzwingungshaft angeordnet werden, doch ohne einen Get bleibt nach traditionellem jüdischen Recht die von ihrem Mann getrennte Frau „gebunden“ und kann nicht erneut heiraten.

Aufgrund der besonderen Geschichte und Tradition des Judentums ist das Verständnis einer jüdischen Identität ausgeprägt, die sich auf ein gemeinsames Schicksal bezieht und nicht notwendigerweise religiös begründet wird. Viele Juden betrachten sich gleichzeitig zum Beispiel als Briten oder US-Amerikaner, bis 1933 auch als patriotische Deutsche, die im Ersten Weltkrieg ihr Leben für ihre europäische Heimat riskierten oder opferten.

Aufteilung in ethnische Gruppen

In der Geschichte wurden Juden in vier größere Gruppen eingeteilt:

  • Aschkenasim, deren Vorfahren in Deutschland oder Frankreich lebten, bevor sie nach Osteuropa und teilweise später in die USA auswanderten.
  • Sephardim, deren Vorfahren auf der iberischen Halbinsel (SpanienPortugal) lebten. Die sephardischen Juden flohen 1492 vor der spanischen Inquisition, und siedelten sich überwiegend im Mittelmeerraum, teilweise aber auch in Mittel- und Westeuropa an (z. B. in Hamburg und Altona). Ihre gemeinsame Sprache ist das Ladino, das unterschiedliche regionale Ausprägungen hat.
  • Mizrahim (orientalische Juden), die im Nahen Osten und in Nordafrika lebten, aber auch nach Mittel- und Südasien wanderten (orientalische Juden werden oft auch als sephardisch bezeichnet, da ihre Traditionen weitgehend übereinstimmen).
  • jemenitische Juden (Teimanim), die lange von den übrigen Juden isoliert waren und dadurch teilweise eigene Bräuche entwickelten.

Kleinere Gruppen sind

Umstritten ist die Stellung

  • einer afghanischen Gruppe, die auf den antiken Stamm Ephraim zurückgehen soll,
  • der Lemba in Simbabwe

Die jüdischen Gruppen in China (Kaifeng, Bagdad-Juden, russische Aschkenasim und Holocaust-Flüchtlinge) kamen zu verschiedenen Zeiten und auf unterschiedlichen Wegen nach China.

Die Samaritaner sind eine frühzeitige Abspaltung von den Juden im engeren Sinne, die dennoch gewollt oder ungewollt lange deren Schicksal teilten: Aufstände der Juden zogen oft auch die Samaritaner in das Geschehen ein, da die Römer Probleme hatten, diese zu unterscheiden. Wie es in Rom jüdische Synagogen gab, so gab es auch samaritanische. Heute gibt es nur noch sehr wenige Samaritaner.

Historische jüdische Gruppierungen

Fast alle Juden der Neuzeit folgen dem in Mischna und Talmud enthaltenen mündlich überlieferten Gesetz; sie werden als Rabbinisches Judentum bezeichnet. Innerhalb des rabbinischen Judentums gibt es verschiedene Richtungen, wie etwa das Orthodoxe oder das Reformjudentum.

  • Die kleine Gruppe der Karäer stellt eine Abspaltung von der Mehrheit der Juden dar. Sie lehnt die in Mischna und Talmud enthaltenen Lehren ab.
  • Die Samaritaner haben als heilige Schriften eine Version der Tora, die Memar Markah sowie eine eigene Liturgie, Gesetze und Auslegungsschriften. Ein Großteil des Tanach (jüdische Bibel) gilt ihnen nicht als inspiriert. Im Gegensatz zum Judentum hat der Psalter der Samariter 155 Psalmen; Judentum und Christenheit kennen nur 150. Die Autorität von Mischna und Talmud lehnen sie ebenfalls ab. Es gibt nur noch wenige Anhänger der samaritischen Religion.

Jüdische Kultur

Die jüdische Kultur steht in starker Wechselwirkung zu den Kulturen, in denen die jeweilige jüdische Gemeinschaft ihr kulturelles Leben entfaltet, so dass sie kaum isoliert betrachtet werden kann. Dabei spielt die Religion eine unterschiedlich große Rolle.

Durch die Aufsplittung des Europäischen Judentums in die Aschkenasim und Sephardim haben sich hier zwei auch durch die Sprache unterschiedene Kulturräume entwickelt.

Siehe auch: ShabbatJüdische SpeisegesetzeJüdische FesteJüdischer KalenderJüdische KücheKippa

Sprache

Hebräisch ist die Sprache der ältesten jüdischen Schriften und war Umgangssprache der Juden in der antiken Periode ihrer Unabhängigkeit. Es wurde als Umgangssprache nach Jahrhunderten vom Aramäischen verdrängt, blieb aber bis in unsere Tage hinein Gottesdienstsprache, zum Teil auch Gelehrtensprache. Das Aramäische ist eine zum Hebräischen sehr ähnliche Sprache, die auch das schriftliche Hebräisch späterer jüdischer Schriftwerke beeinflusst hat. Einige Passagen in den Schriften des Tanach wurden schon auf aramäisch verfasst, so wechselt beispielsweise das Buch Daniel vom Hebräischen ins Aramäische. Jesus und seine jüdischen Landsleute sprachen aramäisch. In der Diasporanahmen die Juden die Sprachen der Länder an, in denen sie lebten (siehe Jüdische Sprachen). Einige Sonderfälle sind Sprachen, die jüdische Gemeinschaften aus verschiedenen Gegenden der Welt übernommen haben und aufgrund der historischen Umstände zu selbständigen Sprachen (wenn man will, zu Dialekten) weiterentwickelt haben. Siehe dazu: Jiddisch (die Sprache der Aschkenasim), Ladino (oder Sephardisch, die Sprache der Sephardim), Judäo-Berberisch(die Sprache jüdischer Berber in Marokko), Tat (auch: Judäo-Tat, die Sprache der Bergjuden des Kaukasus (Dagestan, Aserbaidschan)). Im Alltag sprechen Juden die Sprache des Landes, in dem sie leben.

Das Iwrith, welches heute in Israel gesprochen wird, stellt eine gelungene Wiederbelebung des antiken Hebräisch dar, das um einen modernen Wortschatz erweitert wurde und auch in der Grammatik einige Anpassungen erfuhr. Es entwickelt sich heute im lebendigen Gebrauch weiter wie andere Sprachen auch.

Literatur

Bücher

Einführungen

Einführungen in das Judentum sind im allgemeinen stark von der jeweiligen Richtung gefärbt, der der Autor angehört. Die Lektüre mehrerer Einführungen ist daher empfehlenswert.

Geschichte

  • Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit, hrg. von Mordechai Breuer und Michael Graetz, 4 Bände, Sonderausgabe, München: C.H. Beck, 2000 (Standardwerk)
  • Jüdische Geschichte lesen. Texte der jüdischen Geschichtsschreibung im 19. und 20. Jahrhundert, hrg. von M. Brenner, A. Kauders, G. Reuveni und N. Römer, München: C.H. Beck, 2003
  • Ḥayim Hilel Ben-Śaśon (Hrsg.): Geschichte des jüdischen Volkes – von den Anfängen bis zur Gegenwart (Autorisierte Übersetzung von Siegfried Schmitz), 5. erweiterte Auflage. München 2007. ISBN 3-406-55918-2(Standardwerk)
  • Michael BrennerKleine jüdische Geschichte, München: C.H. Beck, 2008, ISBN 3-406-57668-0
  • Nachum T. GidalDie Juden in Deutschland von der Römerzeit bis zur Weimarer Republik. Gütersloh 1988. ISBN 3-89508-540-5
  • Peter Ortag: Jüdische Kultur und Geschichte. ([1]) 5. Aufl. Potsdam 2003.
  • Monika Richarz (Hrsg.): Jüdisches Leben in Deutschland. Selbstzeugnisse zur Sozialgeschichte. Deutsche Verlags-Anstalt
Band I. (1976): 1780 – 1871. ISBN 3-421-01769-7
Band II. (1978): Im Kaiserreich. ISBN 3-421-01842-1
Band III. (1982): 1918 – 1945. ISBN 3-421-06094-0

Nachschlagewerke

  • Jewish Encyclopedia (seit 1901)
  • Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur: Jüdische Autorinnen und Autoren deutscher Sprache von der Aufklärung bis zur Gegenwart, hrg. von Andreas B. Kilcher, Stuttgart 2000
  • Kilcher, Andreas B. / Fraisse, Otfried (Hgg.): Metzler Lexikon jüdischer Philosophen, Stuttgart / Weimar 2003
  • Charles Cutter: Judaica Reference Sources: A Selective, Annotated Bibliographic Guide, Libraries Unlimited, 3rd Revised and Expanded Edition 2004, ISBN 1-59158-133-8
  • Encyclopaedia Judaica 2. Auflage 2006

Sonstige Literatur

  • Leonard H. EhrlichFraglichkeit der jüdischen Existenz. Philosophische Untersuchungen zum modernen Schicksal der Juden (Fermenta philosophica). Freiburg; München: Alber 1993. ISBN 3-495-47750-0
  • Sand, Shlomo: Die Erfindung des jüdischen Volkes, Israels Gründungsmythos auf dem Prüfstand, Berlin 2010, ISBN 978-3-549-07376-6
  • Max Weber – Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Tübingen 1920 – 1921

Zeitschriften

  • www.israelnachrichten.deIsrael-Nachrichten – Deutschsprachige Tageszeitung aus Tel Aviv
  • Das Internetarchiv compactmemorystellt mehr als 80 jüdische Periodika des 18., 19. und 20. Jahrhunderts zur Verfügung.
  • Jüdische Allgemeine, seit 1946. Die Zeitung steht in der Tradition der 1837 gegründeten Allgemeinen Zeitung des Judenthums.
  • Der Aufbau. (Neue, europäische Ausgabe seit 1999) [2]Hg. Jüdische Medien AG, Zürich. Alle älteren Ausgaben sind über die Suchmaschine als Text lesbar.
  • Tachles ist eine jüdische Wochenzeitung in der Schweiz (seit 2001)

Weblinks

Portal:Judentum – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Judentum

Commons: Judentum – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Judaica – Quellen und Volltexte
Wiktionary Wiktionary: Judentum – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Vgl. hierzu und zum vorhergehenden Y. M. Grintz: Art. Jew, Semantics, in: Encyclopaedia Judaica, 2. A., Bd. 11, 253-254.
  2. Grintz, 253.
  3. Vgl. Mishnah Kiddushin 3,12, 68b; Yadayim, Issurei Biah 15,3-4. Maimonides: Mishneh Torah, Kedushah, Issurei Biah 12-15, bes. 12,7; 15,3-6. Schulchan Aruch, Eben Ha-Eser 4,5; 19.
  4. Vor- und nachstehendes eng nach Raphael Posner: Art. Jew, Halakhic Definition, in: Encyclopaedia Judaica, 2. A., Bd. 11, 254-255.
  5. Vgl. etwa Talmud, Mishnah, Berakhot 30b; Keritot 9a; Yevamot 46a-b.
  6. Vgl. die Dokumentation in Sidney B. Hoenig / Baruch Litvin (Hgg.): Jewish Identity: Modern Responsa and Opinions on The Registration of Children of Mixed Marriages – David Ben-Gurion’s Query to Leaders of World Jewry, Philip Feldheim, New York 1965.
  7. Vorstehender Absatz nach Posner, 254.
  8. Vgl. Posner, 254f.
  9. Vgl. etwa J. Blidstein: Who Is Not A Jew? The Medieval Discussion, in: Israel Law Review 11/3 (1976), 369-390; Edward Fram: Perception and Reception of Repentant Apostates in Medieval Ashkenaz and Premodern Poland, in: AJS Review 21/2 (1996), 299-339.
  10. Vgl. Posner, 255 mit Verweis auf Moshe Feinstein.
  11. Vgl. z.B. die ersten der 13 Iqqarim, Mischnakommentar zu Sanhedrin, X; den Anfang des Sefer ha-Mitzvoth; Mishneh Torah, 1. Buch Sefer ham-Madda.

ZEITZEUGEN!!!

Veröffentlicht: 2010/08/31 in Nicht kategorisiert

Otto Schwerdt (Autor)

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Otto Schwerdt (* 3. Januar 1923 in Braunschweig; † 30. Dezember 2007 in Regensburg) war Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde in Regensburg und Vorsitzender des Landesausschusses der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern.

Leben

Schwerdt wuchs in Braunschweig auf. Nach dem Erlass der Nürnberger Gesetze siedelte seine Familie zunächst nach Berlin und 1936 nach Kattowitz in Polen um. Im Mai 1943 wurde er zusammen mit seiner Familie verhaftet und in dasKZ Auschwitz-Birkenau deportiert. Während seine Mutter, sein Bruder und seine Schwester ermordet wurden, überlebten er und sein Vater das Lager Theresienstadt.

Schwerdt holte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sein Abitur in Weiden i.d.OPf. nach und studierte zwei Semester an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Regensburg. 1948 wurde er Soldat in der israelischen Armeeund kämpfte im Unabhängigkeitskrieg des Staates Israel. 1949 heiratete er seine Frau Gela; aus der Ehe gingen drei Kinder hervor.

1954 kehrte Schwerdt nach Deutschland zurück, arbeitete in Regensburg im Betrieb seines Vaters und engagierte sich in der dortigen jüdischen Gemeinde. Er war langjähriger Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde in Regensburg und Vorsitzender des Landesausschusses der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern. Zudem war er Mitglied des Rundfunkrates in Bayern.

1998 veröffentlichte er unter dem Titel Als Gott und die Welt schliefen seine Autobiografie (ISBN 3929517272), die er in Zusammenarbeit mit seiner jüngsten Tochter Mascha Schwerdt-Schneller verfasst hatte und aus der er an Schulen vorlas, um die Erinnerung an den Holocaust wach zu halten.

2001 erhielt Schwerdt als erster Preisträger den von der Katholischen Friedensbewegung Pax Christi verliehenen Preis für Zivilcourage für seinen „Einsatz gegen das Vergessen“.[1] Für seine Verdienste wurde Schwerdt 2006 mit demBayerischen Verdienstorden ausgezeichnet; er war auch Träger des Bundesverdienstkreuzes.[2]

Schwerdt starb an den Folgen eines Sturzes im jüdischen Gemeindezentrum. Anfang 2008 regte die Regensburger ödp an, nach ihm eine Straße zu benennen.[3]

März 2009 wurde die Ganztageshauptschule in Burgweinting bei Regensburg in Otto-Schwerdt-Schule umbenannt.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. „pax christi verlieh erstmals „Preis für Zivilcourage“ im Juli 2001“, pax christi im Bistum Regensburg, 19. Juli 2001
  2. „Gemeinden trauern um Otto Schwerdt“, Mittelbayerische Zeitung Regensburg, 30. Dezember 2007
  3. Für immer in Erinnerung – ÖDP: Straße und Schule nach Otto Schwerdt benennen, Die Donau-Post, 7. Januar 2008

Holocaustkenntnis von Zeitzeugen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Kenntnis damaliger Deutscher und Nichtdeutscher vom Holocaust in der Zeit des Nationalsozialismus wurde ab den 1990er Jahren ein besonderes Forschungsthema. Ausgangspunkt dafür war der Zugang zu neuen Quellen und die Verlagerung von Forschungsschwerpunkten.

Inhaltsverzeichnis

Überblick

Davon haben wir nichts gewusst! Diese und ähnliche Aussagen begegneten den Alliierten ab 1945 häufig. Damit reagierten sehr viele Deutsche bei Vernehmungen und angeordneten Besuchen von befreiten Konzentrations- undVernichtungslagern auf die Frage nach den NS-Massenmorden, besonders an den Juden. Ihre stereotype Antwort galt schon damaligen Beobachtern als Schutzbehauptung, die eine befürchtete Bestrafung abwehren sollte, oder als Verdrängung.

Das behauptete Nichtwissen gilt als eins der letzten „Tabus der Zeitgeschichte“, das etwa durch systematische Aktenvernichtung des NS-Regimes, fortwirkende psychologische Abwehrmechanismen bei Tätern[1] und spät veröffentlichte Primär- und Sekundärquellen begünstigt wurde.

Dazu gehören Geheimberichte von NS-Propagandabehörden, SS und Gestapo, Verhörprotokolle der Alliierten und regelmäßige Umfragen des Allensbacher Meinungsforschungsinstituts aus den 1950er und 1960er Jahren: Darin erklärten zwischen 25 und 40 Prozent der befragten Deutschen (bezogen auf die Gesamtbevölkerung entsprach das 20 bis 35 Millionen Personen), die die NS-Zeit bewusst miterlebt hatten, sie hätten sehr wohl von den Massenmorden an Juden in den eroberten Gebieten Osteuropas gewusst.

Erst gut 50 Jahre nach Kriegsende begannen Historiker, das behauptete Nichtwissen zu überprüfen und die Haltung der deutschen Bevölkerung zu den NS-Verbrechen wissenschaftlich zu untersuchen. Diese Verspätung wird ebenso wie die relativ abstrakte, von Opferschicksalen losgelöste Gedenkkultur aus weiterwirkender Verdrängung (Karola Fings) oder aus der Forschungslogik erklärt (Dieter Pohl): Erst nachdem die Ursachen und Verläufe der NS-Verbrechen weitgehend aufgeklärt wurden, hätten Historiker die Frage nach der Haltung der Zivilbevölkerung sinnvoll stellen können. Die Forschung dazu ist auch durch den wachsenden Zeitabstand der noch lebenden Zeitzeugen, die immer weniger werden, erschwert. Ihre Eigenwahrnehmung werten Historiker zudem meist nicht als mit schriftlichen und sonstigen Dokumenten gleichrangige Quelle aus.

Deutschland

Vorkriegszeit

Sämtliche staatliche Maßnahmen (Gesetze, Verordnungen) gegen die Juden wurden bis 1939 vom NS-Regime selbst veröffentlicht. Einige wie der Judenboykott vom 1. April 1933 wurden vom Regime gezielt auch dazu in die Wege geleitet, um die Reaktionen der Bevölkerung darauf zu testen.

In den ab 1933 für Regimegegner und andere unerwünschte Personenkreise eingerichteten Konzentrationslagern wurden die Juden bereits deutlich schlechter behandelt als die meisten anderen KZ-Insassen. Erfahrungsberichte entlassener Häftlinge bestätigten dies auch für Nichtjuden,[2] waren aber während des Regimes (und noch lange danach) nicht allgemein zugänglich. Viele der vor und im Krieg eingerichteten Lager lagen jedoch nahe bei deutschen Ortschaften, so dass die dortigen Vorgänge vielen Einwohnern vor Ort bekannt waren oder werden konnten. So gab es anfangs im Konzentrationslager Dachau einen „Tag der offenen Tür“ für die Bevölkerung, und die Staatsanwaltschaft Weimar nahm sogar einige einschlägige Strafanzeigen an, bis dies unterbunden wurde. Die Häftlinge der 23 innerdeutschen KZs und ihrer zahlreichen Außenlager wurden täglich durch deutsche Dörfer und Städte zu den Arbeitsorten geführt. Zudem waren einige Deutsche zeitweise in den KZs und Lagern beschäftigt oder leisteten Hilfsdienste, z. B. als Warenlieferanten, die sie zu Augenzeugen machten.

Die Enteignung („Arisierung“) jüdischen Besitzes machte viele Deutsche zu direkten oder indirekten Nutznießern eines wichtigen Teilschrittes auf dem Weg zum Holocaust. Die Frage, was mit den enteigneten und nun vielfach nicht mehr ausreisefähigen Juden geschehen sollte, drängte sich besonders seit den Novemberpogromen 1938 allgemein auf. Darauf reagierten die NS-Zeitungen mit verstärkter antisemitischer Propaganda, die weitere Schritte wie die Errichtung vonGhettos und Lagern im Osten vorbereiteten.

Kriegszeit

Täterwissen

Für hochrangige NSDAP-Funktionäre und Mitarbeiter der NS-Behörden wurde die Absicht zur Judenvernichtung ab Herbst 1941 fast unverhüllt ausgesprochen. Spätestens seit der Wannseekonferenz im Januar 1942 waren die oberen Ebenen der Ministerien und NS-Behörden in die Planungen zur Deportation von Millionen Juden in Arbeits- und Vernichtungslager eingeweiht. Dass „Endlösung“ Vernichtung bedeutete, war den Konferenzteilnehmern bewusst, wie der Konferenzplaner und Protokollant, „Judenreferent“ Adolf Eichmann 1961 in seinem Prozess in Israel aussagte. In der zweiten seiner „Posener Reden“ sagte Heinrich Himmler gegenüber den versammelten Gau- und Reichsleitern am 6. Oktober 1943:[3]

Der Satz ‚Die Juden müssen ausgerottet werden‘ mit seinen wenigen Worten, meine Herren, ist leicht ausgesprochen. Für den, der durchführen muss, was er fordert, ist es das Allerhärteste und Schwerste, was es gibt. […] Sie wissen nun Bescheid, und Sie behalten es für sich. Man wird vielleicht in ganz später Zeit sich einmal überlegen können, ob man dem deutschen Volke etwas mehr darüber sagt. Ich glaube, es ist besser, wir – wir insgesamt – haben das für unser Volk getragen, haben die Verantwortung auf uns genommen (die Verantwortung für eine Tat, nicht nur für eine Idee) und nehmen dann das Geheimnis mit in unser Grab.

Beobachterwissen

Mitteilungen über die Massenmorde hinter der Ostfront und in den Arbeits- und Vernichtungslagern waren den Beteiligten strengstens untersagt. Jedoch gab es außer den Tätern relativ viele nicht direkt beteiligte Tatzeugen aus den dort stationierten Militärverbänden. Einige an der Ostfront stationierten Soldaten machten mit privaten Fotoapparaten Aufnahmen von Misshandlungen und Hinrichtungen einzelner Juden, die in manchen privaten Fotoalben auftauchten. Auf dem Weg in den Heimaturlaub fuhren viele Züge von der Ostfront auf Strecken neben den Vernichtungslagern; Lokführer von Deportationszügen und andere Bahnbedienstete kamen in ihre unmittelbare Nähe.[4]

Informationspolitik

Gleichzeitig erzeugte die NS-Informationspolitik mit allgemeinen Andeutungen in Zeitungs- und Wochenschauberichten, die auf organisierte Judenvernichtung schließen ließen, bewusst eine Art Mitwisserschaft der Deutschen. So sprachAdolf Hitler in reichsweit ausgestrahlten Reden offen von der „Vernichtung“ der Juden, die er schon am 30. Januar 1939 für den Fall eines neuen Weltkriegs „prophezeit“ hatte. Darauf kam er bis 1943 öfter – 1942 allein fünfmal – in wortgleicher Formulierung zurück: Von den Juden, die ihn für seine „Prophezeiung“ früher verlacht hätten, lachten inzwischen viele nicht mehr; bald würde keiner mehr von ihnen lachen. Auch die deutsche Presse erwähnte diese Reden oft. Dass Hitler damit die laufende Vernichtung der Juden meinte, verstanden laut Saul Friedländer viele Zuhörer, deren Tagebucheinträge die Reden vermerkten: darunter der Osnabrücker Bischof Hermann Wilhelm Berning, dem der Vollzug von Hitlers Vernichtungsabsicht im Februar 1942 klar war.[5]

Flüsterpropaganda

Seit der auf den Polenfeldzug folgenden ersten Urlaubswelle für Wehrmachtssoldaten im Winter 1939/40 sickerten immer mehr Einzelheiten über die Vorgänge in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten durch. An Massenerschießungen beteiligte Deutsche berichteten ihren Verwandten in Briefen oder beim Heimaturlaub davon. In Verbindung mit den Pressemeldungen ergab die „Flüsterpropaganda“ dann allmählich immer genauere Vorstellungen davon, was mit Juden „im Osten“ geschah. Die im Oktober 1941 begonnenen Deportationen aus den deutschen Großstädten vollzogen sich öffentlich auf Versammlungsplätzen und Bahnhöfen und waren vielfach von großen Mengen Schaulustiger begleitet.[6] Auch die Einrichtung von Ghettos und großen Lagern wurden in Deutschland öffentlich bekannt gegeben. Ihr Zweck wurde jedoch für die meisten Deutschen mit der typischen NS-Tarnsprache bemäntelt und verschleiert. Die Transporte dorthin wurden als „Umsiedelung“ oder „Evakuierung“ ausgegeben und waren von einer intensiven Hetzpropaganda begleitet. Deutsche Juden wurden dabei als „Volksfeinde“, Verbrecher oder Verbündete der Kriegsgegner beschrieben, die entsprechend keine „Vorzugsbehandlung“ verdient hätten. Dass mit Begriffen wie „Umsiedlung“ Massenexekutionen gemeint waren, war etwa in der westfälischen Stadt Minden vielen Einwohnern seit Ende 1941 bekannt. So schrieb Ruth Andreas-Friedrich am 2. Dezember 1942 in ihr Tagebuch: [7]

In Scharen tauchen die Juden unter. Furchtbare Gerüchte gehen um über das Schicksal der Evakuierten. Von Massenerschießungen und Hungertod, von Folterungen und Vergasungen.

Stimmungsberichte

Seit der Niederlage in der Schlacht von Stalingrad und den alliierten Luftangriffen auf deutsche Städte trat die offene antisemitische Propaganda etwas zurück, da diese nun vermehrt auf Unverständnis und Unmut in Teilen der Bevölkerung stieß, den die Gestapo registrierte. Besonders der Versuch, das Massaker von Katyn als Vernichtungsabsicht der Sowjetunion gegenüber allen Deutschen auszugeben, scheiterte: Den Meldungen aus dem Reich zufolge, in denen die Gestapo die Überwachungs- und Stimmungsberichte zusammenfasste, bezeichnete „ein großer Teil der Bevölkerung“ die Aufregung um Katyn als „heuchlerisch, weil deutscherseits in viel größerem Umfang Polen und Juden beseitigt worden“ seien.[8] Der Kenntnisstand einzelner Personen wird durch Justiz- und Polizeiakten, Tagebücher und Briefe deutlich. Eine zahlenmäßige Aussage, wie viele Leute sichere Kenntnis oder Detailwissen besaßen, lässt sich hieraus nicht ableiten.

Wissen aus ausländischen Medien

Ab Juli 1942 sendeten die Auslandsabteilungen etwa der BBC regelmäßig auch in deutscher Sprache Details zur Judenvernichtung. Eine frühe Reportage nannte erste Zahlen, noch ohne daraus auf eine Ausrottungsabsicht zu schließen:Eine internationale Kommission gibt folgende Ziffern. In Deutschland sind von den etwa 200.000 Juden, die es 1939 dort gab, mindestens 160.000 verschleppt worden oder zugrunde gegangen. In Österreich leben von 75.000 Juden höchstens noch 15.000, in Böhmen und Mähren, wo es auch 80.000 Juden gab, gibt es nunmehr an die 10.000. Thomas Mann sprach über den britischen Sender im September 1942 von „Massentötungen durch Giftgas“.[9] Unter den millionenfach über deutschem Gebiet abgeworfenen Flugblättern der Alliierten war ein Text der Weißen Rose, der von dem Mord an 300.000 polnischen Juden berichtet, dem fürchterlichsten Verbrechen, „dem sich kein ähnliches in der ganzen Menschheitsgeschichte an die Seite stellen kann“.[10]

Das Abhören ausländischer Radiosender galt als Rundfunkverbrechen, war in Deutschland streng verboten und konnte sogar mit der Todesstrafe geahndet werden, war aber dennoch weit verbreitet. Meist bezog sich die Neugier der Hörer, vor allem nach 1943, dabei freilich auf die Frontverläufe. Da solche Meldungen oft mit Propaganda gegen die deutsche Kriegführung vermischt waren, war ihre Glaubwürdigkeit für die Deutschen nicht immer erkennbar.

Veröffentlichungen

In den letzten beiden Kriegsjahren gaben NS-Zeitschriften auch für die nicht direkt beteiligten Partei- und Regimemitglieder immer deutlicher Details zum Holocaust bekannt. Die bisherige Geheimhaltungspolitik seitens der Wehrmacht wurde immer mehr gelockert, und es kam 1943 zu einem regelrechten „Hinrichtungstourismus“ (Ernst Klee) von Täterangehörigen, die bei einer Massenerschießung zuschauen wollten.[11] Die Vernichtungslager waren jedoch weiterhin abgeschirmt. In einem Artikel des Danziger Vorposten vom 13. Mai 1944 hieß es, das Judentum habe „weitere schwere Einbußen … zu verzeichnen,“ es seien fünf Millionen Juden „neutralisiert“ und „ausgeschaltet“ worden.[12]

Kenntnis von systematischer Vergasung

Die systematische Judenvernichtung mittels industrieller Methoden blieb den meisten Deutschen verborgen und war auch für diejenigen, die über Auslandssender oder Erfahrungsberichte von Soldaten davon gehört hatten, meist unvorstellbar. Ein damaliges Gesamtwissen über Ausmaß und Durchführung des Holocaust nehmen Historiker daher nicht an.

Doch auch dieses Defizit wird weniger auf Verbote, Restriktionen und Mängel zugänglicher Informationen, sondern eher auf psychologische Mechanismen zurückgeführt. Das eigentliche Rätsel blieb, warum trotz vieler Andeutungen von so Vielen so effektiv „weggehört“ wurde.

Denn jüngere historische Untersuchungen weisen darauf hin, dass die NS-Verbrechen ohne ein großes Heer von deutschen und nichtdeutschen Helfern aus den Bevölkerungen von Deutschland besetzter Staaten undurchführbar gewesen wären. Das NS-Regime konnte vielfach auf Kollaborateure zurückgreifen, die etwa im Baltikum von sich aus aktiv wurden, um Juden aufzuspüren, auszuliefern oder selbst zu ermorden.

Alliierte

Wissen der Regierungen

Der britische Geheimdienst entschlüsselte die Kodierung von Funkmeldungen der deutschen Polizei – nicht von SS und SD – im September 1939. Im Folgejahr entschlüsselten britische und französische Abhörspezialisten fast alle aufgefangenen Funksprüche der deutschen Polizeibataillone in den besetzten Gebieten Polens, auch nachdem deren Code geändert wurde. Dadurch erfuhren sie frühzeitig von Zwangsumsiedelungen und Exekutionen imGeneralgouvernement.

Im August 1941 änderten die Deutschen den Code der Polizeimeldungen in den besetzten sowjetischen Gebieten erneut. Dennoch konnten die Briten bis dahin etwa die Hälfte, danach ein Viertel aller polizeilichen Funksprüche auffangen und entschlüsseln. Sie erkannten, dass Tarnbegriffe wie „Sonderaufgabe“ Massenmord bedeuteten. So erfuhren sie von tausenden Massenhinrichtungen durch die Ordnungspolizei und die Waffen-SS hinter der Ostfront, die an die Höheren SS- und Polizeiführer gemeldet werden mussten.

Premierminister Winston Churchill erhielt täglich Kurzberichte von dechiffrierten deutschen Polizeimeldungen und wöchentliche Zusammenfassungen daraus. In seiner Rundfunkrede vom 24. August 1941 gab er erstmals Teile dieses Wissens bekannt:

Hunderttausende – wirklich Hunderttausende – von Exekutionen werden durchgeführt; deutsche Polizeitruppen ermorden kaltblütig russische Patrioten, die ihr Vaterland verteidigen. […] Wir werden Zeugen eines namenlosen Verbrechens.

Er nannte also nur eine Tätergruppe, nicht aber die Juden als Hauptopfergruppe und deutete die Morde als Reaktion auf sowjetische Kriegserfolge im Rahmen von Kampfhandlungen. Dies spiegelte die deutsche Gleichsetzung von Juden mit Bolschewiken und Partisanen.[13]

Durch den deutschen Doppelagenten Paul Thümmel erfuhren die Briten Ende Juli 1941 von Massenerschießungen an männlichen Juden in der Ukraine durch Wehrmachtssoldaten. Seit dem 28. August 1941 enthielten auch die Geheimdienstberichte an Churchill eindeutige Hinweise auf Juden als Opfer und Zahlen der Ermordeten mit steigender Häufigkeit und Tendenz. Am 12. September folgerte der zusammenfassende Bericht an ihn:[14]

…die Zahlen bieten […] aufschlußreiche Hinweise auf eine Politik der grausamen Einschüchterung, wenn nicht der völligen Vernichtung.

Danach stellte der britische Geheimdienst gesonderte Mordberichte an Churchill ein. Am 13. September verbot Kurt Daluege den Höheren SS- und Polizeiführern, Exekutionszahlen zu funken. Beides reagierte vermutlich auf Churchills Augustrede: Die Kriegsgegner wollten einander nichts mehr über ihr Wissen über die Massenmorde an Juden verraten. Zudem waren die Briten nun vorwiegend an Informationen über den Kriegsverlauf interessiert. Dennoch erfuhren sie weiterhin von nun als „Aktion nach Kriegsgebrauch“ getarnten Exekutionen und von der Zusammenarbeit zwischen SS, Polizei und Wehrmachtsteilen dabei.[15]

Ein Geheimbericht des Informationsministeriums vom 22. Januar 1942 stellte anhand regelmäßig ausgewerteter Pressemeldungen und zensierter Privatpost aus ganz Europa klar:[16]

Die Deutschen verfolgen eindeutig eine Politik zur Ausrottung der Juden. […]

Nun wurde der begonnene Holocaust den Alliierten in immer mehr Details bekannt. Dieses allmählich aus vielen Einzelteilen zusammengesetzte Wissen wurde in den Regierungen anfangs kaum Ernst genommen und dann nur zögernd der Öffentlichkeit weitergegeben.[17]

Wissen der Bevölkerung

Seit Oktober 1941 erfuhren britische Zeitungsleser von einzelnen deutschen Massenmorden an Juden Osteuropas, etwa von 45.000 deportierten Juden von SchitomirPogromen an Tausenden Juden in der Ukraine sowie etwa 6.000 ermordeten Juden von Czyżew in Ostpolen. Diese Berichte gelangten vor allem über die Jewish Telegraphic Agency, die polnische Exilregierung und einzelne osteuropäische Korrespondenten in die britische Öffentlichkeit.

Ende Oktober erschien zuerst in Schweden, dann in der Londoner Times und im deutschsprachigen Exilantenblatt Die Zeitung ein Bericht über Deportationen deutscher und österreichischer Juden in die besetzten Gebiete. Dort würden sie auf die eine oder andere Weise umgebracht; dies solle alle deutschsprachigen Juden treffen. Es gebe ein umfassendes Programm für Massenmorde.

Im November 1941 berichtete Richard Lichtheim, Vertreter der Jewish Agency for Palestine in Genf, an Chaim Weizmann, den Präsidenten der Jewish Agency: Ganze Züge mit deutschen, österreichischen und böhmisch-mährischen Juden gingen nach Lodz und von da aus an unbekannte Orte weiter östlich, vermutlich bis nach Minsk. Er drängte Weizmann, dies weltweit bekannt zu machen. Auf Drängen von Gerhart M. Riegner, einem 1933 in die Schweiz geflohenen deutschjüdischen Rechtsanwalt, sandte der Jüdische Weltkongress im Februar 1942 einen Bericht an das britische Außenministerium, der die Judenverfolgung in NS-Deutschland von Februar 1933 bis November 1941 auf 160 Seiten präzise dokumentierte.

Während des Krieges in den USA vorgenommene Umfragen zeigen, dass der Holocaust selbst für die von freien Medien informierte US-Bevölkerung bis Ende 1944 vielfach nicht geglaubt wurde: Das Ausmaß des Holocaust erleichterte seine Tarnung….[18]

Betroffene

Holocaustüberlebende berichteten, dass die unmittelbar betroffenen Opfer ihr bevorstehendes Schicksal nicht ahnten oder trotz Gerüchten von den Vernichtungslagern nicht wahrhaben wollten:[19]

Der mit bürokratischer Gründlichkeit geplante, fabrikmäßig betriebene millionenfache Mord – diese nie erlebte Dimension des Verbrechens überforderte die Vorstellungskraft selbst derer, die den Nazis alle nur möglichen Schandtaten zutrauten. Das Undenkbare zu denken, Auschwitz für wirklich zu halten – dagegen sträubte sich ein psychischer Selbstschutzreflex. Das galt auch für die designierten Opfer, vor allem für die Juden Westeuropas. Bis zuletzt hielten sie die Deutschen eines solchen Verbrechens nicht für fähig…

Konrad Löw schrieb dazu in der FAZ am 1. März 2007:[20]

Das Urteil über den wahren Sachverhalt fällt noch schwerer, wenn man sich vergegenwärtigt, dass selbst zahlreiche jüdische Opfer ganz entschieden ihr Nichtwissen beteuern. Der Auschwitz-Flüchtling Friedemann Bedürftig glaubte zu wissen: „Die in Auschwitz Ankommenden hatten samt und sonders nicht nur keine Ahnung, wo sie waren, sondern auch nicht die geringste davon, was ihnen zugedacht war. Sie ließen sich nicht etwa wegen ihrer ‚rassischen Minderwertigkeit‘, wie die Nazis gerne behaupteten, fast widerstandslos zur Schlachtbank führen, sondern weil sie gar nicht wussten, dass sie sich auf die Reise dahin begaben.“

Löw warf Historikern wie Peter LongerichSaul FriedländerIan Kershaw u. a. vor, solche Aussagen jüdischer Quellen in ihren Untersuchungen zum Thema zu übergehen.

Aussagen von Zeitzeugen

Während des Krieges

Das seit 1938 geführte Tagebuch des Celler Ingenieurs Karl Dürkefälden zeigt, dass man sich damals als Privatperson Informationen über den Judenmord verschaffen konnte.[21] Er war oppositionell eingestellt und schrieb persönliche Eindrücke auf, befragte gezielt Kollegen, Bekannte und Verwandte; er misstraute den offiziellen Nachrichten und ging Risiken ein, indem er Feindsender abhörte.[22]

Im Februar 1942 hörte Dürkefelden auf einer Bahnfahrt einen deutschen Soldaten von Massenvernichtungen im Osten reden. Kurz darauf las er in der Niedersächsischen Tageszeitung, dass Hitler die Ausrottung der Juden angekündigt habe. Schon diese beiden Bruchstücke führten ihn zu dem eigenen Schluss: Die Juden werden systematisch vernichtet. Im Juni 1942 bestätigten persönliche Berichte seines Schwagers und seines Arbeitgebers von Massenexekutionen bei Kiew und Białystok ihn darin. Weitere Berichte von Soldaten auf Heimaturlaub kamen im Sommer dazu. Im Herbst 1942 hörte Dürkefälden eine deutschsprachige BBC-Sendung mit Zahlenangaben über Massenmorde an Juden. So drängte sich ihm in diesem Jahr die Erkenntnis, dass die Deportationen der Juden aus Deutschland auf deren Vernichtung zielten, unabweisbar auf, ohne dass er selbst je an der Front oder in der Nähe von NS-Lagern war. Von einem inWilna stationierten Soldaten, der zuvor Angestellter seiner Firma gewesen war, erfuhr er zudem im Januar 1943, dass „die Juden aus Frankreich und anderen besetzten Ländern nach Polen geholt und dort teils erschossen, teils vergast“ würden. Daraus kombinierte er ein relativ genaues Bild von der Dimension des Judenmordes, auch ohne etwas über die Todesfabriken selbst zu erfahren.[23]

1943 schrieb Helmuth James Graf von Moltke, der durch die Judenverfolgung zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus gebracht wurde, noch: Mindestens neun Zehntel der Bevölkerung weiß nicht, dass wir Hunderttausende von Juden umgebracht haben … Sie haben immer noch die Vorstellung, dass die Juden nur ausgegrenzt worden sind und nun im Osten in ähnlicher Weise wie vorher in Deutschland weiterlebten.[20] Dagegen schrieb Landesbischof Theophil Wurm am 21. September 1944 an einen Pastor der Deutschen Christen:[24]

Jedermann weiß oder kann wissen, wie das Dritte Reich mit den Juden verfahren ist, besonders seit der Nacht vom 9. zum 10. 11. 1938 und im Kriege bis zur völligen Vernichtung draußen in Polen und Russland. Auch dürfte das nicht unbekannt sein, dass in den besetzten Gebieten über die Wiedereinführung des in barbarischen Zeiten üblichen Geiselsystems an völlig unschuldigen Personen schweres Unrecht verübt worden ist. Dann erinnere ich an den systematischen Mord der Geisteskranken und an das ganze System der Gestapo und der Konzentrationslager, an die Tatsache, dass es eine unabhängige Rechtsprechung nicht mehr gibt … Ich frage nur: Kann ein Christ Segen erhoffen für ein Volk, das dies alles hat geschehen lassen … ?

Nach Kriegsende

Passanten vor einem Schaufenster, in dem das US-Militär Fotos aus Konzentrationslagern aushängte (Linz, Mai 1945)

Besonders die Besatzungsvertreter der USA konfrontierten die Deutschen in der Zeit nach 1945 mit den Folgen ihrer teils aktiven, teils passiven Zustimmung zum NS-Regime. Sie zwangen zum Beispiel Einwohner Weimars, das am 11. April 1945 befreite KZ Buchenwald, das nahe der Stadt lag, fünf Tage darauf zu besuchen, um Lebensmittelkarten zu erhalten. Margaret Bourke-White, Korrespondentin der Illustrierten Life im Nachkriegsdeutschland, beobachtete die Szene:[25]

Frauen fielen in Ohnmacht oder weinten. Männer bedeckten ihr Gesicht und drehten die Köpfe weg. Als die Zivilisten immer wieder riefen: ›Wir haben nichts gewußt! Wir haben nichts gewußt!‹, gerieten die Ex-Häftlinge außer sich vor Wut. ›Ihr habt es gewußt‹, schrien sie. ›Wir haben neben euch in den Fabriken gearbeitet. Wir haben es euch gesagt und dabei unser Leben riskiert. Aber ihr habt nichts getan.‹

Dies veranschaulichte nach ihrer Aussage beispielhaft, was sich so oder ähnlich in vielen Orten des besiegten Deutschlands abspielte:

Wir alle bekamen diese Worte so häufig und monoton zu hören, daß sie uns wie eine deutsche National-Hymne vorkamen.

Volker Ullrich beschrieb die Reaktionen der meisten Deutschen angesichts des Grauens in der ZEIT am 21. April 1995 wie folgt:

Nur wenige Deutsche waren bereit, sich den grauenvollen Bildern aus den befreiten Konzentrationslagern auszusetzen und eigene Schuld zu bekennen. Die meisten reagierten mit einer erschreckenden Gefühlsstarre und jenem eingeübten Wegseh-Reflex, den Stephan Hermlin während der Vorführung von Dokumentarfilmen über Buchenwald und Dachau beobachtete: „Im halben Licht des Projektionsapparats sah ich, wie die meisten nach Beginn des Films das Gesicht abwandten und so bis zum Ende der Vorstellung verharrten.“
Die Neigung, die eigene Beteiligung zu leugnen und sich aus der Verantwortung zu stehlen, reichte hinauf bis in die Spitzen des gestürzten Regimes. Wenn einer Schuld an den Verbrechen hatte, dann war es Hitler, dann waren es Himmler und die SS-Clique – man selbst hatte damit nichts zu tun gehabt und wollte damit auch nicht mehr behelligt werden. „Niemand ist ein Nazi. Niemand ist je einer gewesen“, bemerkte die amerikanische Journalistin Martha Gellhorn im April 1945. „Ein ganzes Volk, das sich vor der Verantwortung drückt, ist kein erbaulicher Anblick.“ …

Manche Zeitzeugen unter den Deutschen wiesen die Behauptung, nichts gewusst zu haben, bereits bei ihrem Aufkommen als Zwecklüge zurück. Kurt Scharf, Mitglied der Bekennenden Kirche und später Landesbischof von Berlin-Brandenburg, schrieb dazu in einem Interview:[26]

Wer behauptet, er habe damals von alledem nichts gewusst, der hat nichts wissen wollen! Der hat aus Angst weggehört oder sich Augen und Ohren zugehalten. Man sah ja doch die Juden mit dem Stern. […]
Wer in seiner Gemeinde eine jüdische Familie hatte, der wusste, was an den Juden geschah. Und er erlebte mit, dass sie abtransportiert wurden. In Berlin erlebte man das in großem Ausmaß. Schon 1932 gab es Hakenkreuzschmierereien auf dem Kurfürstendamm, 1938 dann die brennenden Synagogen, das Zertrümmern der jüdischen Geschäfte – die sogenannte Kristallnacht: Das hat ganz Deutschland gewusst. Das haben Goebbels und Streicher im Rundfunk verkündet, und das wurde in den Wochenschauen der Filmtheater gezeigt. […]
Wir haben die Sammellager in der Oranienburger Straße in Berlin erlebt, wo die Juden zusammengetrieben wurden. […] Die Theorie von der Herrenrasse wurde in jeder Zeitung verbreitet. […]
Was in unserer Gemeinde dann wirklich die letzten Zweifel an der menschenverachtenden Brutalität des Nationalsozialismus beseitigt hat, das war von 1941 an die Ankunft der Transporte mit russischen Kriegsgefangenen. […] Nacht für Nacht kamen Transporte an auf unserem kleinen Sachsenhausener Bahnhof, Viehwagentransporte, in denen die russischen Kriegsgefangenen zusammengepfercht waren, in den Viehwagen stehend, wochenlang unterwegs, oft kaum mit Nahrung versorgt. Sie kamen nachts an, und unter grellen Scheinwerfern nahmen SS-Leute mit Peitschen und Hunden die Transporte in Empfang. Die Gefangenen stolperten heraus und fielen auf den Bahnsteig, soweit sie sich noch bewegen konnten. Ein Teil von ihnen waren Leichen: auf dem Transport Gestorbene hatten noch zwischen den anderen gestanden. Diejenigen, die sich noch bewegen konnten, wurden von den Hunden gehetzt und unter Peitschenschlägen vom Bahnhof in das KZ getrieben. Auf diesem Weg verendeten dann auch wieder soundsoviele. Dies alles hörten wir mit…
Wenn jemand behauptet, er habe von all dem nichts gewusst, ist meine Kontrollfrage immer: Hättest du dich denn damals gern in ein Konzentrationslager einliefern lassen? Da hätte jeder gesagt: Um Gottes willen!

In der Bundesrepublik

Nach Gründung der Bundesrepublik 1949 erklärten Politiker wie Theodor HeussRichard von Weizsäcker oder Helmut Schmidt[27], vom Holocaust keine Kenntnis gehabt zu haben. Schmidt äußerte verschiedentlich, er habe weder von der „Reichskristallnacht“ etwas mitbekommen noch je einen Judenstern gesehen. In einem Interview der FAZ vom 9. April 2005[28] antwortete er auf die Frage, wann er zum ersten Mal eine Idee davon gehabt habe, dass die Nationalsozialisten Verbrecher seien:

Nach dem Krieg […] Ich habe von dem Genozid an den Juden nichts gewusst, wie viele Menschen damals.

Auf die Rückfrage, man habe doch gewusst, dass es Konzentrationslager gab, entgegnete Schmidt:

Ich habe davon nichts gewusst, mein Vater auch nicht.

Auf den Hinweis auf die bei Hamburg gelegenen Konzentrationslager KZ Neuengamme und KZ Bergen-Belsen sagte Schmidt:

Mein Vater und auch meine Schwiegereltern, die Juden versteckten – nicht auf Dauer, nur für eine Nacht auf dem Boden und eine Nacht im Keller, und ein paar Tage später kam jemand anders für eine Nacht –, wir haben davon nichts gewusst.

Demgegenüber schrieb Franz Josef Strauß in seinen Lebenserinnerungen, er sei als Wehrmachtssoldat mehrfach Zeuge von Massenerschießungen von Juden im Osten gewesen.[29]

Albert Speer beteuerte im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher wie alle übrigen angeklagten NS-Täter ein Nichtwissen vom Holocaust und versuchte dies bis zu seinem Tod glaubhaft zu machen. Er wurde durch neue Dokumentenfunde nachträglich belastet: Er trieb selbst die Enteignung von Juden voran, profitierte persönlich davon und genehmigte Lieferungen von Baumaterial für das KZ Auschwitz-Birkenau. Er bestritt jedoch stets, bei Himmlers Posener Reden anwesend gewesen zu sein, obwohl Himmler ihn laut redigiertem Redemanuskript einmal direkt ansprach. Da Speer in engem Kontakt mit Hörern der Rede stand, die ihn danach aufsuchten, gilt es als „schlicht unmöglich“, dass er nichts davon erfahren hat.[30]

Historische Untersuchungen

Nachkriegsstudien

Hannah Arendt, vom nationalsozialistischen Regime 1937 ausgebürgert, publizierte seit 1943 vor allem über den Holocaust. Sie schrieb Ende 1944 in ihrem amerikanischen Exil den Artikel Organisierte Schuld:

Während die Verbrechen, die seit Beginn des Regimes in den Konzentrationslagern zur täglichen Routine gehören, früher ein eifersüchtig gehütetes Monopol der SS und der Gestapo waren, werden zu den Massenmorden heute beliebige Wehrmachtangehörige abkommandiert. Die Berichte über diese Verbrechen, welche am Anfang möglichst geheim gehalten wurden …, wurden erst auf dem Weg der von den Nazis selbst inszenierten Flüsterpropaganda verbreitet, und sie werden heute von ihnen völlig offen als Liquidationsmaßnahmen zugestanden, um diejenigen ‚Volksgenossen‚, welche man aus organisatorischen Gründen nicht hat in die ‚Volksgemeinschaft‚ des Verbrechens aufnehmen können, wenigstens in die Rolle der Mitwisser und Komplizen zu drängen.[31]

Diese Mitwisserschaft und das behauptete Nichtwissen der Deutschen vom Holocaust wurden bereits in der Nachkriegszeit von verschiedenen Wissenschaftlern analysiert. In ihrem zunächst nur in den USA erschienenen Essay Besuch in Deutschland. Die Nachwirkungen des Naziregimes[32] (1950) beschrieb Hannah Arendt die Teilnahmslosigkeit der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Während in Europa wegen der deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager tiefe Trauer herrsche, werde nirgends weniger über die Verbrechen des Nationalsozialismus gesprochen als in Deutschland:

Die Gleichgültigkeit, mit der sich die Deutschen durch die Trümmer bewegen, findet ihre genaue Entsprechung darin, dass niemand um die Toten trauert.

Stattdessen hörte sie von zahlreichen Geschichten über die Leiden der Deutschen, die gegen die Leiden der anderen aufgerechnet würden, wobei die „Leidensbilanz“ in Deutschland stillschweigend als ausgeglichen gelte:

Der Durchschnittsdeutsche sucht die Ursachen des letzten Krieges nicht in den Taten des Naziregimes, sondern in den Ereignissen, die zur Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies geführt haben.

Diese Verdrängung erklärten Margarete und Alexander Mitscherlich in ihrer sozialpsychologischen Studie der Nachkriegsgesellschaft „Die Unfähigkeit zu trauern“ 1967 anhand ihrer Therapiearbeit mit Zeitzeugen aus einer unbewussten Abwehr heraus. Diese diene ihnen dazu, sich der Konfrontation mit den NS-Verbrechen und ihrer passiven oder aktiven Beteiligung daran zu entziehen. Die Folgen seien „eine eingeschränkte Realitätswahrnehmung und die Verbreitung stereotyper Vorurteile“.[33]

Die Überzeugung, die Zeitgenossen hätten von den Morden nichts wissen können, war aber auch in der Linken weit verbreitet. So schrieb zum Beispiel Ulrike Meinhof 1972, die Anerkennung dieser Tatsache, das heißt „daß wir das deutsche Volk vom Faschismus freisprechen“, sei Voraussetzung für eine breite Unterstützung der RAF, „denn die Leute haben ja wirklich nicht gewusst, was in den Konzentrationslagern vorging.“[34]

Neu erschlossene Quellen

US-Nachrichtendienste und Psychologen sammelten ihre Erfahrungen mit verhörten Deutschen in den letzten Kriegsmonaten. Die Verhörprotokolle der alliierten Armeen wurden jedoch erst Jahrzehnte später veröffentlicht. Als einer der Ersten hat der israelische Historiker David Bankier die Verhöre der US-Armee 1995 ausgewertet. Er bezeichnete ihr eindeutiges Ergebnis als „Geheimnis, das keines geblieben ist“: Fast jeder Deutsche habe gegen Kriegsende irgendeine Kenntnis von den NS-Verbrechen gehabt. Auch die Methode der Vergasung sei in „weiten Kreisen“ Gesprächsthema gewesen. Viele Befragte hätten sich erleichtert gezeigt, erstmals frei darüber sprechen zu können. Die Vernehmer beobachteten, dass „ein merkwürdiges Schuldgefühl bezüglich der Juden im Vordergrund gestanden“ habe, „eine unbehagliche Stimmung und häufig ein offenes Eingeständnis“ von einem „großen Unrecht“.[35]

Bankiers Urteil folgten 2006 mit Peter Longerich, Frank Bajohr und Dieter Pohl auch einige deutsche Historiker. Longerich versuchte, die Verbreitung und Inhalte des Wissens der Deutschen vom Holocaust genauer zu erfassen. Er untersuchte dazu alle verfügbaren Quellen unter der Fragestellung, welche Informationen über NS-Verbrechen welchen Kreisen damals zugänglich waren und sich in der deutschen Bevölkerung herumsprechen konnten:

  • geheime Lage- und Stimmungsberichte der Gestapo und Sicherheitsdienste
  • Protokolle der täglichen Konferenzen des Goebbels-Ministeriums aus den Jahren 1941/42
  • regionale und überregionale Presseberichte
  • Tagebücher und Briefe von Zeitgenossen, darunter Feldpost von Frontsoldaten
  • neu zugängliche, bisher unberücksichtigte Akten auch aus der Sowjetunion, darunter noch unveröffentlichte Protokolle der alle zwei Wochen im Reichspropagandaministerium stattfindenden „Ministerkonferenz“, die das Staatliche Militärarchiv in Moskau verwahrt.

Seit den letzten Jahren konzentriert sich die Holocaustforschung auf konkrete lokale und regionale Abläufe bei den Deportationen von Juden aus deutschen Städten: zum einen, um Einzelschicksale der Opfer weitmöglichst aufzuklären, zum anderen, um damalige Reaktionen und Beteiligung der Nichtjuden genauer zu ermitteln. Auch das Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU Berlin widmet sich seit einigen Jahren verstärkt der Aufhellung der Bevölkerungshaltung: So leitet Bernward Dörner ein Forschungsprojekt zum Thema Der Mord an den europäischen Juden und die deutsche Gesellschaft. Wissen und Haltung der Deutschen 1941 bis 1945.

Entwicklung und Funktion der Bevölkerungshaltung

Die neueren historischen Studien untersuchen die gegenseitige Beeinflussung von Regime und Bevölkerung und die verschiedenen längerfristigen und kurzfristigen Interessenlagen der Deutschen, die ihre Haltung zur Judenverfolgung erklären. Nach Auffassung der für den Regionalbereich Köln mit solchen Forschungen befassten Historikerin Karola Fings ist die historische Hauptfrage dabei nicht, was die Deutschen von den NS-Verbrechen wussten, sondern was sie wissen konnten, wenn sie es hätten wissen wollen.[36]

Longerich hat zunächst die Entwicklung der antisemitischen Propaganda und die Bevölkerungsreaktionen darauf für jede Phase der NS-Herrschaft untersucht. Er kam mit dieser wissenschaftlichen Methodik zu dem dreifachen Ergebnis:

  • Das NS-Regime habe die Bevölkerung durch eine Mischung aus Schweigen und Vernichtungsankündigung in Mithaftung für die Verbrechen nehmen wollen und dabei flexibel auf die sich verändernde Bevölkerungsstimmung reagiert, um diese zu lenken.
  • Informationen über die Judenvernichtung seien unter den Deutschen viel weiter verbreitet gewesen als bisher angenommen: Nicht die Mehrheit, aber doch ein erheblicher Anteil der Bevölkerung und nicht etwa nur eine kleine, auf eine bestimmte Region, Berufssparte oder auf ein soziales Milieu beschränkte Minderheit habe trotz der Geheimhaltung der genauen Details vom Holocaust gewusst und dessen Ausmaß und Formen realistisch einschätzen können.
  • Die meisten Deutschen hätten dieses Wissen nicht in Handlungen für die Juden und gegen deren Verfolgung umgesetzt; zwar habe man die NS-Verbrechen nicht gewollt, sich aber der staatlichen Propaganda gefügt.[37]

Antisemitische Kampagnen des Regimes seien im Kriegsverlauf zunehmend auf Skepsis, Unverständnis und Kritik gestoßen, ohne jedoch auch nur Ansätze einer öffentlichen Opposition zur Judenverfolgung auszulösen. Die vorherrschende Gleichgültigkeit und Passivität hätten dazu gedient, sich jeder Eigenverantwortung für Krieg, Kriegsverbrechen und Kriegsfolgen durch ostentative Ahnungslosigkeit zu entziehen. Dies habe dann in der verbreiteten Distanzierung vom eigenen Wissen gegenüber den Siegern resultiert.

Anders als Longerich vermutet Armin Pfahl-Traughber in der mangelnden aktiven Beteiligung vieler Deutscher an antisemitischen NS-Kampagnen keine Distanz zum Antisemitismus, sondern nur eine Abneigung gegen das gewalttätige Vorgehen der Nationalsozialisten.[38]

Die Frage nach der Kenntnis vom Holocaust verband sich mit der Debatte um eine mögliche deutsche Kollektivschuld. Diese wurde jedoch auch von einigen Vertretern der Kriegsgegner Deutschlands zurückgewiesen. Diese bemühten sich in den Nürnberger Prozessen intensiv darum, erstmals nach einem Weltkrieg nicht nur direkt Ausführende, sondern vor allem die Initiatoren und Planer des Völkermords haftbar zu machen. Die innerdeutsche Kollektivschulddebatte wurde daher zum Teil ebenfalls als Ablenkung von eigener, individuell zurechenbarer Verantwortung gedeutet.

Siehe auch

Literatur

Wissen von nichtjüdischen Deutschen
  • Frank Bajohr, Dieter Pohl: Der Holocaust als offenes Geheimnis. Die Deutschen, die NS-Führung und die Alliierten. C.H. Beck, 2006, ISBN 3406549780
  • Bernward DörnerDie Deutschen und der Holocaust. Was niemand wissen wollte, aber jeder wissen konnte. Propyläen, Berlin 2007, ISBN 3-549-07315-1
  • David Bankier: Die öffentliche Meinung im Hitler-Staat. Die ‚Endlösung‘ und die Deutschen (1. Auflage 1995), BWV Berliner-Wissenschaft 2002, ISBN 3870614781
  • David Bankier: Warum “Die Endlösung” ein öffentliches Geheimnis war, in: Ludmila Nesládková (Hrsg.): Nisko 1939–1994
  • Walter Kempowski: Haben Sie davon gewußt? Deutsche Antworten. 1. Auflage 1979; btb Verlag, Berlin 1999, ISBN 3442725410
  • Otto D. Kulka, Eberhard Jäckel: Die Juden in den geheimen NS-Stimmungsberichten 1933–1945. Droste, 2004, ISBN 3770016165
  • Peter Longerich: „Davon haben wir nichts gewusst!“ Die Deutschen und die Judenverfolgung 1933–1945. Siedler Verlag, München 2006, ISBN 3886808432
  • Hans Mommsen: Was haben die Deutschen vom Völkermord an den Juden gewusst? In: Walter H. Pehle (Hrsg.): Der Judenpogrom 1938. Von der „Reichskristallnacht“ zum Völkermord. Fischer TB, 1. Auflage Frankfurt 1988; 7. Auflage 1999, ISBN 3596243866
  • Saul K. Padover: Lügendetektor. Vernehmungen im besiegten Deutschland 1944/45. Econ Tb 2001, ISBN 3548750060
  • Karl-Heinz Reuband: Gerüchte und Kenntnisse vom Holocaust in der deutschen Gesellschaft vor Ende des Krieges. Eine Bestandsaufnahme auf der Basis von Bevölkerungsumfragen. In: Wolfgang Benz (Hrsg.):Jahrbuch für Antisemitismusforschung Band 9, Campus Verlag, Frankfurt am Main/New York 2000, S. 196-233
  • Karl-Heinz Reuband: Zwischen Ignoranz, Wissen und Nicht-Glauben-Wollen: Gerüchte über den Holocaust und ihre Diffusionsbedingungen in der Bevölkerung. In: B. Kosmala und C. Schoppmann (Hrsg.): Überleben im Untergrund. Hilfe für Juden in Deutschland 1941-1945. Metropol Verlag, Berlin 2002, S. 33-62
  • Jochanan Shelliem (Hrsg.):Weinen Sie nicht, die gehen nur baden! Der Audio Verlag, Dav; Januar 2005, ISBN 3898134091
  • Jörg Wollenberg (Hrsg.): „Niemand war dabei und keiner hat’s gewußt.“ Die deutsche Öffentlichkeit und die Judenverfolgung 1933–1945. Piper Verlag GmbH, 2. Auflage München 1989, ISBN 3492110665
Individuelle Erfahrungsberichte
  • Petra Bopp: Fremde im Visier – Fotoalben aus dem Zweiten Weltkrieg. Christof Kerber Verlag, 2009. 159 Seiten. ISBN 3-86678-294-2[39]
  • Herbert u. Sibylle Obenaus (Hrsg.): „Schreiben, wie es wirklich war …“ Aufzeichnungen Karl Dürkefäldens aus den Jahren 1933–1945. Fackelträger, Hannover 1985, ISBN 3771623111
  • Harald Welzer, Sabine Moller, Karoline Tschuggnall: Opa war kein Nazi. Nationalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis. Fischer TB, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3596155150
  • Sabine Würich, Karola Fings, Rolf Sachsse, Martin Stankowski: Das Gedächtnis der Orte. Emons, 2004, ISBN 3897053497
Wissen von Juden
  • Andreas Kruse, Eric Schmitt: Wir haben uns als Deutsche gefühlt. Lebensrückblick und Lebenssituation jüdischer Emigranten und Lagerhäftlinge. Steinkopff, Darmstadt 2000, ISBN 3-7985-1035-0
Wissen der Alliierten
  • Walter Laqueur: The Terrible Secret: Suppression of the Truth about Hitler’s „Final Solution“. 1. Auflage Boston 1980; Nachdruck Henry Holt & Co, USA 1998, ISBN 0805059849 (englisch)
  • Richard Breitman: Staatsgeheimnisse. Verbrechen der Nazis – von den Alliierten toleriert. Blessing, 1999, ISBN 3896670565

Weblinks

Einzelbelege

  1. Bernward Dörner: Rezension von P. Longerich: Davon haben wir nichts gewusst! für HSozkult, 14. Juni 2006
  2. Nikolaus Wachsmann: Gefängnisse, Ghettos, Lager: Die Juden in Gefangenschaft im Dritten Reich
  3. Bradley F. Smith, Agnes F. Petersen (Hrsg.): Heinrich Himmler. Geheimreden 1933 – 1945, Propyläen Verlag, Frankfurt am Main, Berlin/Wien 1974, ISBN 3-549-07305-4, Zitat aus S. 169ff
  4. Beispiel: Der Bericht des Wehrmacht-Unteroffiziers Wilhelm Cornides vom 31. August /1. September 1942(nach Peter Longerich: Die Ermordung der europäischen Juden, München 1989, S.212f)
  5. Christian Semler, Stefan Reinicke (taz, 10. November 2006): Die Juden waren der ideale Feind. Interview mit Saul Friedländer
  6. Wege in die Vernichtung. Die Deportation der Juden aus Mainfranken 1941–1943. Hrsg, von der Generaldirektion der staatlichen Archive Bayerns. München 2003, ISBN 3-921635-77-2, S. 106ff und Fotos
  7. Ruth Andreas-Friedrich: Der Schattenmann. Schauplatz Berlin. Tagebuchaufzeichnungen 1938–1948, Frankfurt am Main 2000, S. 98
  8. Heinz Boberach: Überwachungs- und Stimmungsberichte als Quellen für die Einstellung der deutschen Bevölkerung zur Judenverfolgung. in: Ursula BüttnerDie Deutschen und die Judenverfolgung im Dritten Reich.Überarb. Neuaufl. Frankfurt/M 2003, ISBN 3-596-15896-6, S. 51
  9. Peter Longerich: Davon haben wir nichts gewusst…, S. 229 und Anm. 115 auf S. 410
  10. Guido Knopp, „Holocaust“, S. 333 / 2. Flugblatt
  11. Ernst Klee: ‚Schöne Zeiten‘. Judenmord aus der Sicht der Täter und Gaffer. Fischer, Frankfurt am Main 1988, ISBN 310039304X, S. 7f
  12. Frank Bajohr, Dieter Pohl: Der Holocaust… ISBN 3406549780, S. 58
  13. Richard Breitman: Staatsgeheimnisse, Goldmann, München 2001, S. 126
  14. Richard Breitman: Staatsgeheimnisse, a.a.O. S. 130
  15. Richard Breitman: Staatsgeheimnisse, a.a.O. S. 132ff
  16. Richard Breitman: Staatsgeheimnisse, a.a.O. S. 137
  17. Armin Pfahl-Traughber, a.a.O. S. 8 (pdf)
  18. Guido Knopp: Holokaust, a.a.O. S. 334
  19. Wir sind die letzten – FRAGT UNS AUS! (Arno Lustiger) Unterrichtsimpulse für Sekundarstufe I und II, Seite 18(Zugriff am 14. September 2007)
  20. ↑ Professor Dr. Konrad Löw in der F.A.Z., 1. März 2007, Nr. 51 / Seite 7
  21. Herbert u. Sibylle Obenaus (Hrsg.): Schreiben, wie es wirklich war … Aufzeichnungen Karl Dürkefäldens aus den Jahren 1933–1945. Hannover 1985
  22. Peter Longerich: Davon haben wir nichts gewusst… S. 231f
  23. Frank Bajohr, Dieter Pohl: Der Holocaust als offenes Geheimnis. München 2006, ISBN 3406549780; S. 60/61 sowie Unterrichtsimpulse Bistum Augsburg, a.a.O. S. 18 (pdf)
  24. Günter Brakelmann, Evangelische Kirche und Judenverfolgung S. 74
  25. zitiert nach Volker Ullrich: Das offene Geheimnis – Peter Longerich untersucht ein heikles Kapitel unserer jüngeren Geschichte: Was wussten die Deutschen vom Holocaust? (DIE ZEIT 20. April 2006)
  26. Heinrich W. Grosse: Bewährung und Versagen. Die Bekennende Kirche im Kirchenkampf. Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V., 1991, ISBN 3892460248, S. 31f
  27. Bryan Mark Rigg, in: Hitlers jüdische Soldaten, Kap. 9
  28. “Die Deutschen bleiben ein gefährliches Volk – Warum man nach dem Zusammenbruch des ‘Dritten Reiches’ in die Politik ging und was heute fehlt: Helmut Schmidt erinnert sich”, FAZ 9. April 2005, S. 36
  29. Peter Lieb: Verbrechen der Wehrmacht – Was konnten Wehrmachtsoldaten von den NS-Verbrechen hinter der Front wissen? Tagebuch eines Täters
  30. Gitta Sereny: Albert Speer: Sein Ringen mit der Wahrheit. München 2001, ISBN 3-442-15141-4, S. 484; Berliner Morgenpost 12. März 2007: Briefe Speers versteigert; Stefan Krebs / Werner Tschacher: Speer und Er. Und Wir? Deutsche Geschichte in gebrochener Erinnerung. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, H. 3, 58 (2007), S. 163-173
  31. Hannah Arendt: Die verborgene Tradition. Acht Essays, Frankfurt a. M. 1976, S.33. In der Zeitschrift Jewish Frontier im Januar 1945 erstmals veröffentlicht.
  32. In: Zur Zeit. Politische Essays. Hamburg 1999, S.43–70
  33. Margarete und Alexander Mitscherlich, Die Unfähigkeit zu trauern – Grundlagen kollektiven Verhaltens. 1967, Zitat aus der Rezension von CI Leipzig (19. März 2007)
  34. zit. nach Veit Medick, Radikal antijüdisch, in: tageszeitung vom 6./7. Oktober 2007, taz mag, S. III
  35. zitiert nach Georg Bönisch: Ort des Unfassbaren (Der Spiegel 24. Januar 2005)
  36. Funkhausgespräche vom 9. November 2006 um 20.05 Uhr auf WDR 5
  37. Rezensionsnotiz – Süddeutsche Zeitung, 27. Dezember 2006
  38. Armin Pfahl-Traughber: Rezension von Davon haben wir nichts gewusst! für „Blick nach Rechts“
  39. Rezension: Ausstellung Wehrmachtsfotografien2009/2010 gezeigt in Oldenburg, München, Frankfurt am Main und Jena. Die Zeit Nr. 2010/19